Die Depressionsfalle
Psychosen (exogener Reaktionstyp). Bleuler wies darauf hin, dass es noch nicht möglich sei, eine ungefährliche, bereits wirksame Dosis der Substanz festzusetzen.
1961 wurde Marsilid in den USA verboten und durch Nachfolgesubstanzen ersetzt, denen eine geringere Lebergiftigkeit bescheinigt wurde. In Europa blieb es auf dem Markt und wird bis heute in Frankreich hergestellt. Auch die Nachfolgerstoffe aus dieser Gruppe gelten weitgehend als problematische Arzneimittel. Dies vor allemauch deshalb, weil sich neben der akuten Giftwirkung der Substanzen und ihrer Unverträglichkeit mit vielen anderen Arzneimitteln auch noch diätetische Probleme ergaben. Patienten, die mit Iproniazin behandelt wurden, zeigten Unverträglichkeitsreaktionen, wenn sie bestimmte Nahrungsmittel wie Sauerkraut, Schimmelkäse oder Rotwein zu sich nahmen.
Interessant ist, dass Iproniazid und seine Verwandten die erste Stoffgruppe waren, die nach ihrer Wirkung auf den Hirnstoffwechsel klassifiziert wurden, nämlich als Monoamino-Oxydase- (MAO-) Hemmer. Robie hatte geschrieben, dass ein Hauptfaktor der Wirkung der Substanz hinsichtlich der Steigerung psychischer Energie wohl darauf beruhe, dass âdie Inaktivierung des im Gehirn gespeicherten, mächtigen Hormons Serotonin durch die Hemmung der Aminooxydase behindert wirdâ, obwohl auch andere, gleichermaÃen kraftvolle, chemische Interaktionen ablaufen dürften. 57
Damit wurde der Wechselwirkung Rechnung getragen, die zwischen den Fortschritten in der Neurowissenschaft und der Entwicklung von Psychopharmaka besteht. Seit den späten 40er Jahren wurden in der Neurowissenschaft maÃgebliche Erkenntnisse über die Biologie der Reizübertragung im Nervensystem gewonnen. Diese Erkenntnisse wieder waren nicht möglich, ohne dass Substanzen entwickelt wurden, die die Mechanismen, denen die funktionalen Schaltkreise im Nervensystem unterliegen, verdeutlichten. Die Wirkungen dieser Substanzen, die zunächst Forschungszwecken dienten, konnten dann auf die Möglichkeit überprüft werden, bei krankhaften Zuständen des Nervensystems entgleiste Steuermechanismen wieder unter Kontrolle zu bringen und dadurch eine korrigierende, âheilsameâ Wirkung zu entfalten.
In der klinischen Psychiatrie wurden in den 60er Jahren Arbeitshypothesen aufgestellt, die davon ausgingen, dass für die normale Funktion des Gehirns Stoffwechselprozesse wesentlich sind, die örtlich begrenzt an bestimmte Hirnstrukturen gebunden sind und zeitlich eng befristet ablaufen. Diese Hypothesen ordneten bestimmten Kerngebieten im Gehirn bestimmte Wirkstoffe zu. Es wurde die Annahme entwickelt, dass bestimmte Hirnsysteme Stoffe anreichern, abbauen oder weitergeben, die für die Funktion einzelner Kernewichtig sind. Diese Hypothesen schlossen Ãberlegungen ein, die besagen, dass bestimmten Stoffwechselprozessen im Zusammenhang mit bestimmten Hirnstrukturen auch Bedeutung für das psychische Leben zukommt. Von Anfang an wurde die Einschränkung gemacht, dass diese Zusammenhänge nur für den Grad des Wachseins und der Aufmerksamkeit und für psychische Spannung, Stimmungen und Triebe gelten. Zusammenhänge mit komplexen Funktionen wie Denkabläufen, sozialen Haltungen, etc. wurden nicht angenommen.
Diese Ãberlegungen, im Einklang mit Beobachtungen über die Wirksamkeit bestimmter Arzneimittel und den Ergebnissen der neuroendokrinologischen Forschung, richteten die Aufmerksamkeit von Anfang an auf die Funktion der Neurotransmitter, der Botenstoffe im Nervensystem.
Pharmakologische und psychopharmakologische Forschung in der Folge des klinischen Einsatzes der trizyklischen Antidepressiva
Die zufällige Entdeckung der antidepressiven Wirksamkeit von so verschiedenen Substanzen wie Largactil, Tofranil und Iproniazid weckte das Interesse für die pharmakologischen Mechanismen, die dieser therapeutischen Bedeutung zugrunde liegen. Die Zufälle, die den Fortschritt der Behandlung ermöglicht hatten, erhielten entscheidende Bedeutung für Fortschritte in der Neurowissenschaft.
Depression und Botenstoffe im Gehirn
Als die neuen Anwendungen der Substanzen realisiert wurden, wusste man über die Wirkmechanismen nur sehr wenig. Die Beobachtung von regelmäÃigen Seiteneffekten des Chlorpromazin führte zur Erkenntnis, dass die Substanz im Organismus einen Effekt ausüben müsse, der dem vergleichbar sei, auf dem der Morbus Parkinson beruht. Das
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