Die Depressionsfalle
Verständnis für diese Prozesse wurde durch die Forschung von Arvid Carlsson, dem Nobelpreisträger von 2000, ermöglicht. Carlsson entdeckte de facto die Bedeutung der Neurotransmitter als Botenstoffe im Gehirn, die der Ãbertragung von Reizendienen. Zu diesen Stoffen zählen das Noradrenalin, das Azetylcholin, das Dopamin, das Serotonin, die Gamma-Aminobuttersäure und andere. Carlsson konzentrierte sich in seiner Forschung zunächst auf das Dopamin. Im Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit wurde die Ursache der Parkinsonschen Krankheit aufgedeckt. Es wurde deutlich, dass diese schwere neurologische Erkrankung auf einem Mangel an Dopamin beruhte. Aus dieser Erkenntnis ergab sich die Schlussfolgerung, dass das Largactil, dessen wichtigste unerwünschte Wirkung am Patienten die Entwicklung eines Parkinson-Syndroms war, zu einer Verarmung an Dopamin führe, und daraus wieder, dass das Dopamin als Botenstoff eine wichtige Rolle für das normale Geistes- und Gemütsleben habe, und dass eine Störung dieses Systems ursächlich mit der Entstehung von Geistes- und Gemütserkrankungen zusammenhänge.
Psychopharmaka â Manipulatoren des Transmitterstoffwechsels
Die Aufklärung der pharmakologischen Wirkung des Iproniazid bekräftigte diese Annahme. Die Forschung ergab, dass Iproniazid ein bestimmtes Enzym im Gehirnstoffwechsel hemmt, die Monoamino-Oxydase. Dieses Enzym hat die Funktion, die Botenstoffe Dopamin, Serotonin und Noradrenalin, die aus den Nervenendigungen im Prozess der Neurotransmission ausgeschüttet werden, zu zerstören. Diese Zerstörung ist für den Kommunikationsablauf im Gehirn wichtig. Sie beendet eine Reizübertragung und schafft Platz für eine neue Kommunikation. Die Inaktivierung der Monoamino-Oxdase durch Iproniazid verlängert die Dauer der Wirkung eines Signals und erhöht die Menge von Dopamin, Serotonin und Noradrenalin in den Nervenendigungen, wodurch der Neurotransmission mehr von diesen Stoffen zur Verfügung stehen. Auf diese Weise wird die Signalübertragung im Gehirn weitgehend umstrukturiert.
Hinsichtlich der Bedeutung dieser pharmako-physiologischen Erkenntnisse für das Verständnis der Depression ergibt sich simplifiziert die Schlussfolgerung: Niedrige Spiegel von Dopamin, Serotonin und Noradrenalin bewirken Depression, erhöht man die Spiegel wirddie Depression beseitigt. Diese Erhöhung der Konzentration kann auf verschiedene Weise bewirkt werden. Eine Möglichkeit ist die Blockade eines Enzymes, das die Zerstörung der Botenstoffe bewirkt, eine andere die Blockade der Wiederaufnahme der Botenstoffe in die Nervenendigungen, von denen sie ausgeschüttet wurden. Auf ersterem Mechanismus beruht die Wirkung der Monoamino-Oxydase- (MAO-)Hemmer. Die trizyklischen Antidepressiva hingegen beugen der Inaktivierung der Botenstoffe vor, die unter normalen Umständen den Transport in die Nervenendigungen, die die Ausschüttung bewirkt haben, einschlieÃt. Dieser Prozess wird als âWiederaufnahmeâ bezeichnet. Die Wiederaufnahme entspricht ebenfalls einer Beendigung des chemischen Signals, wobei allerdings der Vorteil gegenüber der enzymatischen Zerstörung darin besteht, dass der wiederaufgenommene Botenstoff weiter für die Signalübertragung zur Verfügung steht. Wird die Wiederaufnahme blockiert, kommt es, nicht anders als im Prozess der Hemmung des Abbaus, ebenfalls zu einer Zunahme der verfügbaren Neurotransmitter. Den Mechanismus, der diesem Geschehen zugrunde liegt, erkannte ein weiterer Nobelpreisträger, Julius Axelrod. Er fand für das Noradrenalin heraus, dass der Wiederaufnahmeprozess, der die Aktion beendet, von einem EiweiÃkörper kontrolliert wird, der Noradrenalin-Transporter genannt wird. Dieser EiweiÃkörper befindet sich an der Oberfläche der Nervenendigungen, die den Botenstoff ausschütten, und steht bereit, das Noradrenalin abzufangen und es wieder in die Nervenendigung zu transportieren. Die Wirkungsweise des Imipramin besteht darin, dass es gegen die Funktion des Transporters in Aktion tritt, die Wiederaufnahme verhindert und damit dazu führt, dass die Wirkungszeit des Botenstoffs verlängert wird. Zwischen der Wirkungsweise der verschiedenen, antidepressiv wirksamen Substanzen besteht also insofern eine Gemeinsamkeit, als sie auf verschiedenen Wegen die Aktion des Noradrenalin, aber auch anderer Botenstoffe verlängern und damit zu einer
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