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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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Veränderung der chemischen Balance des Gehirns führen.
Die Depression: eine „Transmitterkrankheit“?
    Die Erkenntnisse über die Wirkungsweise der Arzneimittel führten zu erhöhtem Interesse an den biologischen Bedingungen psychiatrischer Krankheiten und dadurch zu der zunehmenden Dominanz der biologischen Psychiatrie. Das zentrale Interesse galt Spekulationen über die Ursachen der Depression. Da in der ersten Periode dieser Forschung die Auffassung bestand, dass das Noradrenalin die wichtigste Substanz in dieser Beziehung sei, wurde aus den Arzneimitteleffekten eine als „Noradrenalin-Hypothese der Depression“ in die Medizingeschichte eingegangene Schlussfolgerung abgeleitet: Depressive Zustandsbilder basieren auf einem Mangel an Noradrenalin im Gehirn.
    Das Noradrenalin und seine Funktion wurden 1946 von dem schwedischen Biologen Ulf von Euler entdeckt, der für diese Entdeckung mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Noradrenalin ist darin beteiligt, den Organismus in „high alert“ zu versetzen. Es wird zusammen mit Adrenalin als Hormon von der Nebenniere ausgeschüttet. Als Neurotransmitter ist Noradrenalin von Bedeutung für Aufmerksamkeit, Emotionen, Schlafen, Träumen, Lernen und für das Gedächtnis.
    Da aber andererseits Erkenntnisse darüber vorlagen, dass die bekannten psychoaktiven und antidepressiv wirksamen Stoffe nicht nur die Noradrenalin-Ausschüttung beeinflussen, sondern auch die Ausschüttung anderer Neurotransmitter, wandte sich die Forschung auch diesen Stoffen zu. Man wusste, dass die MAO-Hemmer und die trizyklischen Antidepressiva, aber auch das Amphetamin die Ausschüttung und Wiederaufnahme von Serotonin beeinflussten. Auch von Serotonin war bekannt, dass es Einfluss auf die Stimmung ausüben konnte. Der Botenstoff war erstmals von Vittorio Erspamer in den 1930er Jahren entdeckt worden. Im Blutserum entdeckte es 1948 Irvine Page, der dem Stoff den Namen gab. Ein anderer Forscher in Pages Laboratorium konnte darstellen, dass es sich bei Serotonin um einen Aminkörper handelte, also um ein Molekül, das einer Gruppe von chemischen Stoffen zugehört, zu denen auch die Neurotransmitter gehören. Und dann erkannten schließlich die Funktion desSerotonin als Neurotransmitter John Welsh (1954 in Mollusken) und Betty Twarog (1952 in Wirbeltieren).
    Serotonin ist ein hemmender Neurotransmitter, der Stimmung und Emotion beeinflusst. Vergleichbar der Noradrenalin-Hypothese der Depression schloss man, dass zu wenig Serotonin zu Depressionen führe, darüber hinaus aber auch bei Problemen mit der Affektkontrolle, zwanghaftem Verhalten und Selbstmordtendenzen eine Rolle spiele.
    Ein Mangel an Serotonin führt auch zu einem erhöhten Verlangen nach süßen Speisen und zu Schlafstörungen. In medizinischer Hinsicht hat man auch Beziehungen zu Migräne, funktionellen Darmstörungen und Fibromyalgie hergestellt. Dass Serotonin auch eine Bedeutung für die Wahrnehmung und die Erfahrung hat, ergab sich aus den Erfahrungen mit Drogen wie LSD, Meskalin und Ecstasy, denen gemeinsam ist, dass sie Serotoninrezeptoren besetzen und so die Signalübertragung in Wahrnehmungssystemen blockieren.
Der Kampf gegen die Depression mittels chemischer Manipulation des Serotoninstoffwechsels
    Arvid Carlsson ging als Erster wissenschaftlich der Vermutung nach, dass Serotonin eine wesentliche Funktion für depressive Stimmung haben könnte, und begann an der Entwicklung von Arzneimitteln zu arbeiten, die die Wiederaufnahme von Serotonin blockieren. Seine Forschung in diesem Aufgabenbereich setzte bereits in den späten 50er Jahren ein. Mittel, die diese Blockade ausübten, waren bekannt und als Antihistaminika im Handel. Die erste Vermutung, dass die Erhöhung des Serotoninspiegels eine antidepressive Wirkung ausübt, geht auf den britischen Wissenschafter Alex Coppen und seine Forschungsgruppe zurück, die 1963 berichteten, dass die antidepressive Wirksamkeit eines MAO-Hemmers dadurch verbessert werden könne, dass man die Substanz mit der Wirkung von Tryptophan, einem Vorläuferstoff des Serotonin, koppelt. Carlsson griff die klinischen Beobachtungen über verschiedenartige Wirkungsweisen der trizyklischen Antidepressiva auf und versuchte,diese Wirkungsunterschiede auf substanzspezifische Beeinflussung der Transmittersysteme zu untersuchen. Dabei ergab sich tatsächlich ein Unterschied hinsichtlich der

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