Die Depressionsfalle
Fähigkeit, den Abbau von Noradrenalin bzw. von Serotonin stärker zu behindern. Stärker dämpfende Mittel reduzierten den Noradrenalinabbau, mehr anregende Mittel den Serotoninabbau. Carlsson legte mit diesen Erkenntnissen den Grundstein für die âSerotonin-Hypotheseâ der Depression. Nun stellte sich die Aufgabe, Antidepressiva zu entwickeln, die entweder zur Anreicherung von Noradrenalin und Serotonin führten oder selektiv eine Erhöhung der Serotoninkonzentration bewirkten.
Der Beginn der Vermarktung der Serotonin-Hypothese
1969 wurde auf der Basis der Carlssonâschen Erkenntnisse in Schweden der erste selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) entwickelt. 1971 bereits wurde für ihn unter dem Namen âZimelidineâ ein Patentverfahren in Schweden, Belgien und GroÃbritannien eingeleitet. Das erste Patent wurde dann im März 1972 zuerkannt. 1981 wurde die Substanz in Schweden und in anderen europäischen Ländern zugelassen und unter dem Markennamen âZelmidâ von der Arzneimittelfirma Astra vermarktet. Sie wurde in der Produktbeschreibung als der âneue spezifische Serotonin-Wiederaufnahmehemmer für die Behandlung der Depressionâ beschrieben. Es wurden Belege vorgebracht, die zeigten, dass die Substanz ebenso wirksam sei wie die trizyklischen Antidepressiva, aber wesentlich weniger Nebenwirkungen auslöse. Das günstigere Wirkungsprofil wurde an der âspezifischenâ, vorgegeben isolierten Wirkung im serotonergen System festgemacht. Spezifische Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer gelten als âsaubere Drogenâ, weil sie eine eingegrenztere Wirkung innerhalb des Hirnstoffwechsels ausüben als die älteren âschmutzigenâ Substanzen, die in viele Systeme eingreifen.
Die Arzneimittelfirma kaufte das Patent für Zelmid für die Vermarktung in den USA. Die Zulassungsuntersuchung erbrachte zunächst gute Erfolge. In der Zwischenzeit hatte man allerdings in Schweden erste Erkenntnisse über schwerwiegende Nebeneffekte der Substanz gesammelt, die 1983 der amerikanischen Zulassungsbehördezugänglich gemacht wurden. Da man in Schweden tatsächlich beobachtet hatte, dass unter Zelmid in den leichtesten Fällen âgrippeähnliche Zuständeâ auftraten, dass aber auch schwere neurologische Krankheitsbilder auftreten konnten und Leberschäden entstanden, nahm Astra die Substanz im September 1983 in Europa vom Markt. Dadurch wurde auch die amerikanische Zulassung verhindert. Man muss sagen, dass Carlsson derartige Beobachtungen bereits in der präklinischen Testung der Substanz beobachtet und die Erzeugerfirma darauf aufmerksam gemacht hatte. Seine Befürchtungen wurden aber nicht ernst genommen. Laut Edward Shorter blieb Carlsson aber überzeugt davon, dass die Substanz nicht vom Markt hätte genommen werden sollen, weil sie auÃerordentlich wirksam und das Verhältnis von gravierenden Komplikationen und erwartbarem Nutzen eindeutig auf der Seite des Nutzens war: âDer klinische, der therapeutische Effekt war durchschlagend, man sollte eine Relation zu den Selbstmorden, die verhindert worden wären und den anderen Fällen, die nicht tödlich verliefen, sondern behandelbar waren, herstellen.â
Die Probleme mit Zelmid führten nicht dazu, dass die Suche nach Substanzen, die das serotonerge System beeinflussen, eingestellt wurde. Ganz im Gegenteil wurden in Europa und den USA in den 80er und 90er Jahren viele neue SSRI entwickelt und auf den Markt gebracht. Manche davon, zum Beispiel das Fluvoxamine (Floxyfral), das bereits in den frühen 70er Jahren in den Labors von Philips-Duphar entwickelt worden war, gehören bis heute zum gebräuchlichen Arzneimittelschatz.
Die 80er Jahre â
Die Geburtsperiode der melancholischen Ãra
Der Durchbruch zum massenhaften Einsatz der SSRI in der Psychiatrie gelang der Firma Lilly 1988 mit der Vermarktung des Fluoxetin (Prozac, Fluctine). Diese Substanz wurde rasch zum gröÃten Verkaufsschlager der Psychopharmakologie. Es ist kein Wunder, dass in rascher Folge verwandte Substanzen auf den Markt gebracht wurden: Citalopram (1989), Zoloft (1992) und Sertralin (1993).
Diese Entwicklung war zunächst einigermaÃen überraschend, hatte doch mancher dieser Stoffe bereits eine problematische und wechselvolle Geschichte hinter sich, bevor es zur Vermarktung kam. Citalopram war bereits 1971 synthetisiert und 1977 patentiert
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