die Detektivin in Jeans
zum Vorschein, die bis zum Fußboden hing. Frau Faber zog sie fort und legte
damit eine große dunkle Holztruhe frei.
„Augenblick, bitte!“ sagte der
blonde Beamte, der mit seinem Kollegen Frau Faber beobachtet hatte, und trat
rasch an ihre Seite. „Das machen wir.“
Er bückte sich zu dem
Verschluß. Es war ein Vorhängeschloß, wie Frau Faber gesagt hatte.
„Der Schlüssel! Ich müßte
nachsehen, wo der Schlüssel ist“, sagte Frau Faber.
Der Blonde warf seinem Kollegen
einen bedeutungsvollen Blick zu. Das Vorhängeschloß hing offen herunter. Der
Beamte entfernte es und öffnete die Truhe.
Frau Faber sah es mit
Entsetzen. Sie hatte die Truhe noch immer verschlossen geglaubt.
Die Beamten räumten die Truhe
aus. Sie enthielt einige Schnellhefter mit Papieren, Fotoalben, eine
Kaffeetasse mit der Aufschrift „Der lieben Mutter“, zerknitterte Briefe, auf
Feldpostpapier geschrieben, eingerahmte Fotografien, eine Blechschachtel voll
Andenken, einige Vogelfedern, Fotos von Soldaten, Gruppenfotos von jungen
Leuten in Hitlerjungenuniform, und außerdem gab es da noch Bücher.
Dann war die Kiste leer bis auf
ein paar kleine Zeitungsfetzen.
Der ältere Beamte richtete sich
auf und drehte sich zu Frau Faber um. „Tja, Frau Faber, wo ist nun die
Pistole?“
Frau Faber atmete befreit auf.
„Dann hat mein geschiedener Mann also doch Wort gehalten und sich von der
Pistole getrennt“, sagte sie froh.
Der Beamte schüttelte den Kopf.
„Nein, nein, Frau Faber! Das kann nicht stimmen. Unsere Zeugin sagte aus, daß
Ihr Sohn eine Pistole besitzt. Wenn es nicht die Pistole Ihres geschiedenen
Mannes ist, was für eine Pistole ist es dann? Wo ist sie? Und woher hat er
sie?“
Frau Faber faßte sich an die
Kehle. „Ich... ich weiß es nicht“, flüsterte sie.
„Gerd!“ rief der junge blonde Beamte.
Während sein Kollege mit Frau
Faber sprach, hatte er mit einem Buch die Papierfetzen aufgewedelt und dabei
eine Entdeckung gemacht, die er nur zusammen mit dem zweiten Beamten
protokollieren wollte: In einer Ecke der Truhe lag eine Patrone, die dem gesuchten
Kaliber entsprach.
Der mit Gerd Angesprochene zog
ein Plastiktütchen und eine kleine Zange aus der Tasche, nahm die Patrone mit
der Zange auf, und ließ sie in die Tüte fallen. „Wissen Sie, wieviel Munition
Ihr Mann besaß?“ fragte er Frau Faber.
Frau Faber schüttelte verstört
den Kopf.
„Ich denke, das war‚s“, sagte
der Beamte Gerd zu seinem jungen Mitarbeiter und wandte sich zur Tür.
„Ja, ja, die Jugend!“ seufzte
der junge blonde Beamte im Tonfall eines weisen alten Mannes, betrachtete Frau
Faber mitleidig und folgte seinem Kollegen.
Frau Faber starrte fassungslos
in die ausgeräumte Truhe. Ich hasse dich! dachte sie. Ich hasse dich! Ich hasse
dich! In ohnmächtiger Wut trampelte sie auf den vor der Truhe liegenden Sachen
herum. Ihr Ausbruch galt ihrem geschiedenen Mann, dem sie die Schuld an Rainers
verzweifelter Situation gab.
Sie lief ins Wohnzimmer. Auf
einem Zettel, den sie neben das Telefon gelegt hatte, stand die von ihrer
Mutter notierte Nummer der Anwaltskanzlei. Frau Faber wählte die Nummer.
„Faber! Bitte Herrn Dr. Seibold!“ rief sie hysterisch ins Telefon, als die
Anwaltsgehilfin sich meldete.
„Herr Dr. Seibold ist im
Augenblick nicht...“
Frau Faber unterbrach sie. „Es
ist dringend! Hier ist Frau Faber!“
„Ich verbinde“, sagte die junge
Dame an der Vermittlung.
Die Referendarin nahm den Anruf
entgegen. „Es tut mir leid, Frau Faber. Herr Dr. Seibold ist heute vormittag
auf dem Gericht. Worum handelt es sich? Wir haben doch bereits alles
miteinander besprochen. Oder gibt es Neuigkeiten?“
Frau Faber erzählte sie ihr.
Als sie ihren Bericht beendet
hatte, blieb es eine Weile still in der Leitung. Dann sagte die Referendarin,
und ihre Stimme klang sehr besorgt: „Das ist ja eine völlig neue Situation!
Weshalb haben Sie uns von der Pistole nichts erzählt...? Ich werde den Chef
sofort unterrichten, sobald er kommt. Aber das wird sicher Nachmittag werden.“
„Können Sie ihn nicht im
Gericht erreichen?“
„Nein, das geht nicht. Er hat
mehrere wichtige Termine. Im Augenblick können wir ja auch nichts unternehmen.
Wir müssen das Ergebnis der Untersuchung abwarten. Sind Sie telefonisch zu
Hause zu erreichen? Der Chef wird sicher noch einige Fragen an Sie haben.“
„Ja... Ich weiß nicht.
Vielleicht fahre ich zu meiner Mutter hinaus. Soll ich heute nachmittag anrufen
— falls Sie vergessen,
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