die Detektivin in Jeans
Herrn Dr. Seibold Bescheid zu sagen.“
„Keine Sorge, Frau Faber. Ich
habe Ihr Gespräch auf Band aufgezeichnet. Herr Dr. Seibold wird sich sofort um
die Sache kümmern.“
„Ist es... ist es sehr
schlimm?“ fragte Frau Faber, obwohl sie selbst wußte, wie schlimm es war. Doch
sie wollte beruhigt werden. Sie wollte hören, daß die Entdeckung der
Pistolenmunition und Miekes Aussage bedeutungslos waren gegenüber Rainers
Beteuerungen, daß er auf Eva nicht geschossen habe. Für das Verschwinden der Pistole
würde es, mußte es eine einleuchtende Erklärung geben.
Die Referendarin schwieg.
„Wissen Sie, wie es Eva geht?
Sie kommt doch durch? Sie wird bezeugen, daß Rainer für die Tat nicht in Frage
kommen kann. Vielleicht hat sie den Täter gesehen? Ihn erkannt?“
„Beruhigen Sie sich. Machen Sie
sich nicht so viele Sorgen, Frau Faber“, riet die Referendarin. Aber welche
Mutter sorgte sich in einer solchen Situation nicht um ihren Sohn!
„Übrigens war der Seniorchef
vor einer Weile hier“, sagte sie, um Frau Faber zu zeigen, wie sehr sich alle
darum bemühten, Rainer zu helfen. „Er hat die Akte eingesehen. Soviel ich weiß,
ging er von hier zum Polizeipräsidium, um sich selbst mit den ermittelnden
Beamten zu unterhalten. Rufen Sie ihn an. Von uns hören Sie dann heute
nachmittag.“
„Ja, danke, Frau Petry“, sagte
Frau Faber und legte auf. Doch dann nahm sie erneut den Hörer ab und rief ihre
Mutter an. „Ist Herr Seibold schon zurück?“
„Nein, er wollte einiges
erledigen. Wie geht es dir, Marlene? Woher weißt du, daß Herr Seibold in die
Stadt gefahren ist? Hast du ihn getroffen?“
„Nein, ich habe mit der Kanzlei
telefoniert. Frau Petry sagte mir, daß er dort war. Kann ich zu dir rauskommen,
Mutter?“
„Weshalb fragst du? Selbstverständlich
kannst du zu mir kommen“, erwiderte Frau Ansbach. „Bringst du Sandra mit?“
„Sie kann nachkommen. Ich
möchte sofort rausfahren. Ich halte es in der Wohnung nicht aus.“
„Du hast sicher nicht
geschlafen? Gefrühstückt auch nicht, was? Setz dich in den Bus und komm her“,
sagte ihre Mutter besorgt.
Frau Faber schrieb auf einen
Zettel die Anweisung für Sandra, nach der Schule zu ihrer Großmutter
hinauszufahren, und verließ das Haus.
Eine Nachbarin begegnete ihr
auf der Straße. Frau Faber hastete mit gesenktem Kopf an ihr vorbei. Sie hatte
den Eindruck, als drehe die Frau sich nach ihr um. Zwei andere
Hausbewohnerinnen, die sich vor dem Diskountgeschäft unterhielten, unterbrachen
ihr Gespräch und stießen einander an, als Frau Faber auf dem gegenüberliegenden
Bürgersteig der Bushaltestelle zustrebte.
Rainers Verhaftung hat sich
also bereits herumgesprochen, stellte Frau Faber fest. Vielleicht stand es in
der Zeitung? Joschi hatte es gewiß auch zu Hause erzählt. Und dann waren da ja
auch die Nachforschungen der Kripo. Vermutlich hatten sie die Gäste aus Willis
Kneipe befragt, die mit Rainer an dem Abend, als er anschließend die Schlägerei
hatte, zusammengewesen waren. Rainer hatte ihr erzählt, daß er darüber verhört
worden war und auch darüber, wieviel und wo er gewöhnlich Bier trank.
Von der Nachbarschaft wurde
eine solche Sensation natürlich begierig aufgegriffen.
Frau Faber straffte ihren
Rücken. Sollten sie! Rainer war kein Verbrecher. Es konnte jeder in eine solche
Situation geraten. Die Kripo war nicht zu tadeln. Alles sprach gegen Rainer.
Doch Eva würde aussagen...
Und wenn sie starb?
Nein, das durfte nicht
geschehen. Evas wegen nicht. Sie war noch so jung. Rainers wegen nicht. Nur
ihre Aussage konnte ihm helfen. Frau Faber klammerte sich mit allen Gedanken an
die Hoffnung, daß Rainer nach Evas erfolgter Aussage frei sein werde.
Die Sache mit der Pistole...?
Was bewies das schon? Rainer brachte so viele Freunde nach Hause. Früher
jedenfalls. Oft sogar Übernachtungsgäste. Wenn Rainer die Pistole an sich
genommen und in seinem Zimmer aufbewahrte, wie leicht konnte sie dann von einem
seiner Partygäste gestohlen werden. Vielleicht würde man Rainer — oder sie
selbst — wegen unerlaubten Waffenbesitzes bestrafen. Doch was zählte das im
Vergleich zu dem, was man Rainer jetzt vorwarf!
Das mit den Besuchern mußte sie
Dr. Seibold sagen. Wieso war ihr das vorhin, als die Kripo da war, nicht
eingefallen? Dr. Seibold durfte nicht versäumen, den Untersuchungsrichter
darauf hinzuweisen.
Ein bißchen zuversichtlicher,
ein bißchen weniger bedrückt, traf Frau Faber an der Haltestelle ein.
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