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Die Deutsche - Angela Merkel und wir

Die Deutsche - Angela Merkel und wir

Titel: Die Deutsche - Angela Merkel und wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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formuliert habe: Rechnet nicht damit, dass Deutschland einer den Krieg legitimierenden Resolution zustimmen wird. – Rechnet nicht damit«, sagte er auf einer Kundgebung im Landtagswahlkampf.
    Am 20. März 2003 überschritten amerikanische Soldaten von Kuwait aus die Grenze zum Irak. Wäre auch die Bundeswehr mit von der Partie gewesen, wenn Merkel zu jenem Zeitpunkt als Kanzlerin amtiert hätte – oder als Parteivorsitzende neben einem Regierungschef Edmund Stoiber? Ihre Äußerungen legen es nahe, diese Frage zu bejahen. Zwei Tage vor dem amerikanischen Einmarsch sagte Merkel in der ARD: »Wenn wir das Ultimatum unterstützen, dann impliziert das natürlich alle Folgen, die sich aus einem solchen Ultimatum ergeben.« Schon im Dezember hatte sie erklärt: »Sollte es zu einer von den UN legitimierten militärischen Aktion gegen den Irak kommen, dann wird sich Deutschland nicht aus der Verantwortung stehlen können.«
    »Wenn«, »sollte«: Schon damals verstand sich die Kanzlerin auf das Vermeiden von Zitaten, die ihr bei veränderter politischer Lage schaden könnten. Ihre Einlassungen waren nicht anders zu verstehen, als dass die Deutschen mit den Amerikanern im Zweistromland einmarschieren würden, und es gab niemanden, der Angela Merkel anders interpretiert hätte – die eigenen, teils sehr skeptischen Parteikollegen eingeschlossen. Aber den einen, klaren Satzhat sie vermieden: Ja, der Irak-Krieg ist richtig, wir sollten unsere Bundeswehr nach Bagdad schicken. So konnte sie sich im Nachhinein darauf herausreden, bei einem geschlossenen westlichen Auftreten hätte der irakische Diktator gewiss klein beigegeben und den Amerikanern einen Krieg erspart. Das fiel ihr umso leichter, als die brüske Art und Weise des Umgangs mit den Amerikanern auch im rot-grünen Lager auf Missfallen gestoßen war. Der damalige Vizekanzler Joschka Fischer hatte sich schon auf dem Weg ins Außenamt ein tiefes Misstrauen gegen deutsche Sonderwege erarbeitet, er betrachtete im Gegensatz zum Bundeskanzler die Adenauersche Westbindung als unverrückbaren Bestandteil der deutschen Staatsräson.
    Es war politisch klug, dass Merkel die letzte Konsequenz nicht offen aussprach. Das war ein umso gewagteres Stück der höheren politischen Artistik, als der Zweck der Operation der genau gegenteilige war: Die als zögerlich gescholtene Parteivorsitzende wollte als eine Frau erscheinen, die zum Äußersten entschlossen war. Angela Merkel hatte schon einiges erreicht: Sie hatte den CDU-Ehrenvorsitzenden Helmut Kohl vom Thron gestürzt, auf Regionalkonferenzen die Parteibasis für sich eingenommen, mit einem Wolfratshausener Frühstück die Niederlage im Kampf um die Kanzlerkandidatur in einen Akt des freien politischen Willens umgedeutet. Doch zwei wichtige Fragen waren bisher offen geblieben. Niemand wusste, für welche politischen Positionen sie stand, von der Erneuerung der eigenen Partei abgesehen. Und sie hatte noch keinen politischen Großkonflikt mit jener Härte durchgefochten, die für den Weg ins Kanzleramt nötig ist. Vulgär gesprochen,hatte sie noch nicht »Cojones« gezeigt. Das musste sie aber, wollte sie die Machos des Politikbetriebs beeindrucken.
    Merkel suchte also nach einer Möglichkeit, äußerste Abgebrühtheit zu demonstrieren. Welches Thema wäre dazu besser geeignet gewesen als eben der Krieg? Mehrere Faktoren minimierten das Risiko. Als freiheitsdurstige Ostdeutsche konnte Merkel den Schulterschluss mit Bush mühelos in ihre biografische Erzählung integrieren. Sollte das Bekenntnis im Wahlkampf schaden, würde es nicht auf sie zurückfallen, sondern auf den Kandidaten Stoiber – und ihr selbst die Option aufs Kanzleramt offenhalten. Gleichzeitig konnten ihr die konservativen Widersacher in der CDU den Rückgriff auf transatlantische Traditionsbestände der Partei nicht zum Vorwurf machen. In dem Interview-Buch, das Merkel vor der Bundestagswahl 2005 mit dem Publizisten Hugo Müller-Vogg herausbrachte, gestand die CDU-Vorsitzende das taktische Kalkül offen ein. »Nach dem 11. September konnte man spüren, dass manche dachten, darauf kann nur ein Mann mit der nötigen Härte reagieren«, sagte sie. »Eine Annahme, die in jeder Hinsicht falsch ist. Frauen können mindestens so hart und durchsetzungsfähig wie Männer sein, wie dann ja auch zum Beispiel in der Irak-Diskussion klar wurde.«
    In ihrem eigenen Wahlkampf 2005 reichte Merkels Enthusiasmus allerdings nicht mehr so weit, sich mitten in der Kampagne für die

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