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Die Deutsche - Angela Merkel und wir

Die Deutsche - Angela Merkel und wir

Titel: Die Deutsche - Angela Merkel und wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Für einen Augenblick stockte den Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft der Atem, sie hielten den völligen Zusammenbruch des westlichen Systems nicht für ausgeschlossen. Der Gesamtbevölkerungwurde der Ernst der Lage spätestens klar, als Merkel gemeinsam mit ihrem Finanzminister Peer Steinbrück vor die Fernsehkameras trat und die Sparguthaben der Deutschen garantierte. Die Kanzlerin lenkte die Aufmerksamkeit des Publikums auf eine Krise, die sie mit ihrem Auftritt zugleich zu beruhigen trachtete: Die Szene im Kanzleramt war eine der großen Stunden der politischen Dialektik.
    Als die Vertrauenskrise dann über die Banken hinausgriff und auch die Staatsanleihen wirtschaftlich schwächerer Euro-Länder erfasste, war die Aufgabe weitaus komplexer. Mit den Mitteln einzelstaatlicher Gesetzgebung war nun nichts mehr zu gewinnen, nationale Ressentiments griffen wieder um sich, die komplexen Folgewirkungen jedweder politischen Entscheidung waren kaum zu kalkulieren. Doch wieder blieben die Deutschen erstaunlich ruhig. Natürlich lag das auch daran, dass Deutschland nicht nur von der Krise verschont blieb, sondern in vielfältiger Weise von ihr profitierte: durch die niedrigen Zinsen, die es nun für seine Staatsanleihen bezahlte, durch den günstigen Euro-Kurs, der die deutsche Exportwirtschaft stimulierte, durch die große Zahl junger und qualifizierter Einwanderer, die nun aus Südeuropa ins Land kamen. Aber wie leicht hätte schon die Furcht vor einem Zusammenbruch der eigenen Währung zu hysterischen Ausbrüchen führen können in einem Land, das der »German Angst« den Namen gab und das angeblich vom Trauma der Inflation geprägt ist. Wie nahe hätte es gelegen, nationale Ressentiments zu mobilisieren gegen die Griechen, die das ganze Währungsproblem mit gefälschten Haushaltszahlenausgelöst hatten. Zeitweise geschah dies zwar auch, aber es blieb bislang ein Randphänomen. Bis zur Drucklegung dieses Buches erhielt die Anti-Euro-Partei »Alternative für Deutschland« in den Meinungsumfragen nur bescheidene Zustimmungsraten.
    Wahrscheinlich war auch viel Verdrängung dabei: Die Deutschen wollten es gar nicht so genau wissen, und wer mochte es ihnen verdenken angesichts einer Lage, in der auch Experten völlig widerstreitende Meinungen vertraten. Harmoniesüchtig, wie sie sind, erwarteten die Deutschen alles auf einmal: Natürlich sollte der Euro erhalten bleiben – jetzt, wo es ihn gab, wäre alles andere für die eigenen Ersparnisse zu riskant. Natürlich sollten die Griechen nicht allzu sehr leiden, zumindest nicht auf die Gesundheitsversorgung verzichten und in ungeheizten Wohnungen sitzen. Und natürlich sollte das alles für Deutschland nichts kosten, jedenfalls nicht so viel, dass deshalb womöglich Renten gekürzt oder Opernhäuser geschlossen werden müssten. Das alles erwarteten die Bürger von einer Kanzlerin, die ihrerseits stets erklärte, dass es einfache Lösungen in der Euro-Krise nicht gebe.
    Merkels Bild in den Geschichtsbüchern wird am Ende davon abhängen, wie Europa aus der Krise hervorgeht. Ein Zerbrechen der Gemeinschaftswährung wäre ihre historische Schuld, das Vermeiden eines großen Knalls und der Erhalt eines demokratischen, mindestens auf dem heutigen Niveau integrierten Europas schon für sich genommen ein Erfolg. Niemand kann den Ausgang heute seriös vorhersagen, obwohl die schiere Dauer der Krise mittlerweile zu einem gewichtigen Argument gegen die katastrophischenPrognosen geworden ist. Aber man soll sich nicht täuschen: Die Folgen des Gründerkrachs im Deutschen Kaiserreich blieben zwei Jahrzehnte lang spürbar, bis die Hochkonjunktur wieder einsetzte. Und die Weltwirtschaftskrise der Jahre nach 1929 wurde erst durch Rüstungsproduktion und Nachkriegsaufschwung überwunden. Wie sich die Wirtschaft entwickelt hätte, wenn Deutschland den Zweiten Weltkrieg nicht entfesselt hätte, wissen wir nicht. Jedenfalls rutschten die Vereinigten Staaten noch einmal kräftig in die Rezession, als Präsident Roosevelt 1936 die Staatsausgaben zurückfuhr. Entscheidend bleibt aber die Einhegung der politischen Folgen: Während die Demokratie in Amerika von der ökonomischen Misere im Kern unberührt blieb, glitt Deutschland in die Diktatur. Das ist der Kern des deutschen Krisentraumas.
    Eine Wahlhelferin ist die Krise für Angela Merkel nur, solange sie anhält. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, mag ihr der Streit um die zyprischen Spareinlagen im März 2013 durchaus ins Konzept

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