Die deutsche Götterlehre
glänzenden Steinen und goldenen Spielsachen. Oft finden sie sich auch in ganzen Scharen ein und haben dann einen König, der eine schimmernde Krone trägt. Lässt man sie ruhig gewähren, so bringen sie dem Hause Glück und Segen, tödtet man aber den König, dann folgt ein Unglück dem andern. Wer solch eine Schlangenkrone trägt, der ist unsichtbar und wird steinreich. In einigen Gegenden erzählt man noch, jedes Haus habe zwei Schlangen, ein Männchen und ein Weibchen, die sich aber nicht eher sehen lassen, als bis der Hausvater oder die Hausmutter stirbt, dann sterben sie auch.
Die geflügelte Schlange nennen wir mit einem undeutschen Wort Drache , der deutsche Ausdruck ist Wurm, Lintwurm, d. i. der glänzende, leuchtende Wurm von dem Gold, worauf die Drachen liegen, welches sie hüten. Sie sind ganz im Gegensatz zu den Schlangen geizig, neidisch, giftig; dem nahenden Menschen werfen sie Rauch, Flamme und Wind aus dem Rachen entgegen. Gefrässig berauben sie die Heerden, sie fordern selbst Menschen als Opfer. Der gewöhnliche Mensch erliegt ihnen, nur die Helden vermögen den Kampf mit ihnen zu bestehen und der Sagen von ihren Drachensiegen sind alle Länder voll. Der Genuss ihres Herzens bringt den Siegern Kunde der Thiersprache zuwege, das Bestreichen mit ihrem Blut härtet die Haut gegen alle Verletzungen,
Die Käfer waren wie den Aegyptern, so auch den alten Deutschen heilig. Feierlich holte man noch im siebenzehnten Jahrhundert den ersten Maikäfer aus dem Walde, gleichsam wie einen Boten der Gottheit des Frühlings. In oberdeutschen Sagen erscheinen die Käfer als heilige, das Gold bewachende, selbst goldene Thiere. Den schwedischen Mädchen sagt der auf ihrer Hand umkriechende kleine Goldkäfer , von welcher Seite der Bräutigam komme. Fast in all unsern Dialecten trägt dies hübsche Thierchen noch mythisch klingende Namen: wie man ihn in Schweden Jungfrau Mariens Schlüsselmagd heisst, so nennen wir ihn Marienvöglein, Liebfrauenthierchen, Marienkälbchen, Herrgottsthierchen, Herrgottsvöglein, Gotteskühlein, Sonnenküchlein.
Heilig war endlich die Biene , die wir sorgsam hegen, die uns zum Dank dafür den Honig schenkt, einen Hauptbestandtheil des alten Göttertrankes. Sie ist emsig und still geschäftig, gleich den Zwergen und Elben, die gleich ihr einer Königin gehorchen. Sie nimmt regen Antheil an Vorsput und Unheil, welches ihren Herrn trifft; wenn er stirbt, so muss man dem Bienenstock den Todesfall melden und bitten, dass er dem neuen Hausherrn getreu und gewogen bleibe, auch als Zeichen der Trauer ihn auf eine gewisse Zeit schwarz verhüllen; geschieht das nicht, dann fliegt der Schwarm fort. Goldene Bienen begleiteten selbst die Leiche des fränkischen Königs Childerich ins Grab.
Himmel und Gestirne. 87
Von der Betrachtung der als göttlich verehrten Wesen wenden wir uns zu der des Himmels, den die Götter und die ihnen näher stehenden Geister bewohnen (die sich mit den Sternen vermengen), in den nach ihrem Tode irdische Wesen erhoben werden, an dem ausgezeichnete Helden und Riesen als Gestirne leuchten. Vom Himmel steigen die Götter herab zur Erde nieder, am Himmel fahren sie her und durch den Himmel beschauen sie unsichtbare das Treiben der Menschen. Wie sich alle Pflanzen nach dem himmlischen Licht kehren, alle Seelen zum Himmel wenden, so steigt der Rauch des Opfers und das Gebet der Menschen in die Höhe.
Das Wort Himmel stammt aus der Wurzel hima, decken, einhüllen, kleiden; der Himmel deckt die Erde, er umschlingt und umarmt sie, wie der liebende Mann das geliebte Weib. Einige deutschen Stämme kennen das Wort nicht, sie haben statt dessen das Wort, Heven, Häwen, engl. heaven, d. i. der Fassende, Allumfassende.
Allen Gestirnen werden bestimmte Stätten, Plätze und Stühle beigelegt, auf denen sie Sitz und Wohnung nehmen; sie haben ihr Gestell und Gerüste. Das gilt vor Allem von der Sonne, die täglich aufsteigt und zu ihrem Sitz oder Sessel zurückkehrt, aber auch von den Sternen, denen noch im Märchen jedem ein besonderes Stühlchen zugeschrieben wird. Aus dem Capitel über Wuotan wissen wir, dass einzelne Gestirne am Himmel fahrende Wagen sind, und gleich andern Göttern und Göttinnen hat auch die Sonne ihren eigenen Wagen.
Von allen Sternen treten besonders zwei hervor, die den Tag erleuchtende Sonne und der die Nacht erhellende Mond . Sie sind in allen deutschen Sprachen ursprünglich jene weiblichen, dieser männlichen Geschlechts. Beide werden mitunter einem Rad
Weitere Kostenlose Bücher