Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die deutsche Götterlehre

Die deutsche Götterlehre

Titel: Die deutsche Götterlehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
Vom Netzwerk:
h. Gudula begraben wurde, wuchs eine schlanke Pappel aus ihrem Grab, darauf sass ein wunderschöner fremder Vogel, der sang die entzückendsten Weisen, es war ihre Seele; und als ihre Reliquien erhoben und in eine nahe Kirche gebracht wurden, fand man am andern Morgen den Baum und den Vogel, welche ihr gefolgt waren, vor der Thür der Kirche. Dieser Glaube war gleich jenem von der aufblühenden Seele in ganz Europa verbreitet. So erzählt eine polnische Sage von dem Räuber Madej: Als er erfahren hatte, welche Strafe in der Hölle seiner wartete, steckte er seine Mörderkeule in die Erde und blieb dabei als Einsiedel im Gebet und in Bussübungen. Die Keule begann Keime zu treiben und wurde zu einem Apfelbaum, der duftende Früchte trug. Als er später unter diesem Baum seine Beichte ablegte, flog ein Apfel nach dem andern in eine weisse Taube verwandelt empor. Es waren die Seelen derer, die er erschlagen, deren Blut an der Keule geklebt hatte, und die nach vorherigem Uebergang in Blüthen und Früchte des Baumes nun erlöst zu einer höhern Stufe der Freiheit gelangten.
    Die Seele ist in den Körper eingeschlossen gleichsam wie der Schmetterling in die Larve, diese springt beim Tod und entfesselt flattert die Seele empor. Es lag daher ebenso nahe, ja noch näher, sie sich in dieser Gestalt zu denken und diese Vorstellung theilten mit den Griechen auch die Deutschen.
    Weniger schön, eher zur Strafe entfährt die Seele in der Gestalt vierfüssiger Thiere, einer Katze , Maus , eines Wiesels , Kaninchens , selbst der an der Erde schleichenden Schlange . Solche Thiere haben wir noch in reicher Anzahl in den Spukthieren unserer Sagen übrig, die zu bestimmten Stunden der Nacht die Strassen unserer Städte und Dörfer, wie die Heerstrassen unsicher machen, sich von dem verspäteten Wanderer tragen lassen und dann unter koboldartigem Gelächter verschwinden.
    Solange die Seele den Körper bewohnt, ist er warm, verlässt sie ihn, so starrt er kalt; darum galt sie dem Alterthum als ein feuriges Wesen, wofür schon die für die Seelen Sterbender geltenden Sternschnuppen zeugen. Wer kennt nicht das schöne Märchen von des Todes Lichtersaal? Da flackern und leuchten zahllose Lichtchen und jedes ist eines Menschen Leben; wenn es erlöscht, stirbt der Mensch. Auch in den Sagen klingt diese Vorstellung nach, denn oft erscheinen umwandernde Geister als ein kleines Licht und die Irrwische sind nichts, als umirrende Seelen, gleichsam feurige Schmetterlinge, mit denen sie das Flattern gemein haben und auch den Namen theilen; Ziebold gilt für beide. Daher, dass die Sage noch heute in den Irrlichtern die Seelen ungetauft gestorbener Kinder oder verbrecherischer Ackerfrevler sieht, die mit koboldischer Tücke trachten, den Wanderer vom rechten Weg ab und in Sümpfe zu führen.
    Auch dem Element des Wassers ist die Seele nicht fremd; sie wohnt in dem Blut, dessen Rinnen durch die Adern dem lebendigen Quell gleicht, der über die Steine springt, dessen Erstarren dem des Baches gleicht, den der eisige Tod gefangen hält. So geht sie denn auch in eine Quelle über, indem sie mit den drei ersten Blutstropfen dem Körper des Ermordeten entflieht, oder im Augenblick des Todes als Quelle erscheint. S. Wenefridis floh vor einem heidnischen Königssohn, als er sie erreichte, schlug er ihr das Haupt ab; da wo es hinfiel, entsprang zur Stunde eine klare Quelle. Und als König Olaf eine Riesin die mit Rocken und Spindel auf einem hohen Strandhügel sass verwünschte, wurde sie wie er wollte in Stein verwandelt, im selben Augenblick aber entsprang an des Berges Mauer eine Quelle.
    Nicht alle Seelen aber müssen in eine andere Gestalt fahren, viele behalten auch die menschliche , nur in verkleinertem Maasse. Sie verlassen selbst nicht das ihnen im Leben lieb gewordene Haus, nicht diejenigen, denen sie im Leben nahe standen: sie bleiben in dem Hause als Schutzgeister der Ihrigen. Zahlreiche Sagen berichten noch, wie zur Stunde wo man die Bahre mit der Leiche aus dem Hause trug, der Verstorbene oben am Giebelfenster stand und dem Leichenzug nachschaute, oder wie man ihn am Abend des Begräbnistages am Heerd sah und von nun an sein Walten spürte. Daher rührt auch, dass die altdeutschen Künstler die Seele in Gestalt eines schönen weissen oder eines Mohrenkindes abbilden, jenachdem sie einem Frommen oder Unfrommen angehörte, wie denn z. B. auf dem Grabmahl der heil. Elisabeth ein Engel die Seele der Heiligen in Gestalt eines Kindes vor Christi Thron

Weitere Kostenlose Bücher