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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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zweckrationale Gesellschaftstreiben verstrickte Vernunft des (männlichen) Staatsbürgers machte der junge Dichter das (weibliche) Herz stark, dem sich die tieferen Menschheitswahrheiten wie im Traum erschlossen.
    Zur Ikone der Romantiker wurde die preußische Königin Luise, die von sich selbst behauptete, sie würde lieber all ihre Bücher in die Havel werfen, als sich durch Wissen ihre Empfindsamkeit verderben zu lassen. Heinrich von Kleist widmete ihr ein Sonett, August Wilhelm Schlegel krönte sie in einem Gedicht zur »Königin der Herzen« (da gab’s noch lange keine »Lady Di«), und der Die preußische Madonna: Königin Luise in ihrem Heim. Populäre Chromotypie aus dem Jahre 1896. Bereits 1798 empfahl Novalis: »Jede gebildete Frau und jede sorgfältige Mutter sollte das Bild der Königin in ihrem oder ihrer Töchter Wohnzimmer haben.«
    Philosoph Friedrich Schleiermacher rühmte sie in seiner Trauerpredigt dafür, dass sie nie die Grenzen, die durch den »Unterschied des Geschlechts« bestimmt werden, überschritten habe.
    Untrennbar war der Kult um Luise mit ihrer Mutterschaft verbunden. Obwohl sie im Alter von nur 34 Jahren starb, hatte sie in ihrer Ehe mit Friedrich Wilhelm III. zehn Kinder zur Welt gebracht. Natürlich stand der »preußischen Madonna« ein kompletter Hofstaat samt Kinderfrauen und Erziehern zur Verfügung. Dennoch legte die Königin Wert darauf, sich ihren Untertanen als bescheidene, fürsorglich-häusliche Mutter zu präsentieren, die, lieber noch als auf Staatsempfängen zu glänzen - oder den »Satan Napoleon« um Gnade fürs gedemütigte Preußen anzuflehen -, ihre Kinder in der Wiege schaukelte. Eine Flut von populären Luisen-Romanen und -Bildnissen machte die Königin bis ins »Dritte Reich« hinein zum Inbegriff der deutschen Frau, die ihren Adel in zurückgenommener, tröstender Mütterlichkeit entfaltet.
    Zum Inbegriff des verfluchten »Weltweibes« hätte an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert leicht eine andere werden können: Johanna Schopenhauer, die Mutter des Philosophen. Als junge Frau war sie an einen deutlich älteren, reichen Danziger Kaufmann verheiratet worden. Nach dessen Tod löste die Mutter zweier Kinder den Hamburger Haushalt sofort auf und zog nach Weimar, um dort ein eigenständiges Leben zu führen. In ihrem Salon war Johann Wolfgang von Goethe Stammgast, sie selbst brachte es zur Erfolgsschriftstellerin mit 24-bändiger Werkausgabe. Ihre Tochter Adele, die ebenfalls schrieb - aber zeitlebens nicht aus dem mütterlichen Schatten heraustreten konnte -, hatte Johanna mit nach Weimar genommen. Ihrem 19-jährigen Sohn Arthur hingegen hatte die »Rabenmutter« in einem unmissverständlichen Brief klargemacht, dass seine und ihre Wege künftig getrennt zu verlaufen hätten: »Ich habe Dir immer gesagt, es wäre sehr schwer, mit Dir zu leben, und je näher ich Dich betrachte, je mehr scheint diese Schwierigkeit für mich wenigstens zuzunehmen. Ich verhehle es Dir nicht, solange Du bist, wie Du bist, würde ich jedes Opfer eher bringen, als mich dazu entschließen. Ich verkenne Dein Gutes nicht, auch liegt das, was mich von Dir zurückscheucht, nicht in Deinem Gemüt, nicht in Deinem Innern, aber in Deinem Wesen, in Deinem Äußern, Deinen Ansichten, Deinen Urteilen, Deinen Gewohnheiten, kurz ich kann mit Dir in nichts, was die Außenwelt angeht, übereinstimmen, auch Dein Missmut ist mir drückend und verstimmt meinen heitern Humor, ohne dass es Dir etwas hilft. Sieh, lieber Arthur, Du bist nur auf Tage bei mir zum Besuche gewesen, und jedes Mal gab es heftige Szenen um nichts und wieder nichts, und jedes Mal atmete ich erst frei, wenn Du weg warst […]«
    Das waren anno 1807 erstaunlich offenherzige Muttertöne, die über die Jahre allerdings zum katastrophalen Zerwürfnis mit dem Sohn führten und nicht ganz unschuldig daran gewesen sein mögen, dass der spätere Philosoph zu erkennen glaubte: »Zu Pflegerinnen und Erzieherinnen unserer ersten Kindheit eignen die Weiber sich gerade dadurch, dass sie selbst kindisch, läppisch und kurzsichtig, mit einem Worte zeitlebens große Kinder sind: eine Art Mittelstufe zwischen dem Kinde und dem Manne, als welcher der eigentliche Mensch ist.«
    Den allerstringentesten Platz nahmen die Schopenhauerschen Einlassungen zum Thema Mutter und Weib in seinem Gedankensystem nicht ein. Sicher, der Philosoph, der überall auf der Welt einen blinden, triebhaften Willen am Werk sah, musste vor den Frauen zurückschrecken,

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