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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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in den Ranzen stecken, laufen sie Gefahr, am Schultor angekrächzt zu werden.
    Ich weiß nicht, ob es früher schlimmer war. In deiner Zeit gab es zumindest noch den »Rabenvater«.
    Gott gebeut einem jeden Hausvater, dass er sein Haus und die Seinigen treulich versorge, will er anders nicht ein Unmensch und Rabenvater und Spechtmann gescholten sein…
    Selbst Schiller zerrte ihn ins Rampenlicht: Blick hieher - hieher, du Rabenvater! - Ich soll diesen Engel würgen?
    Sie haben sich in Luft aufgelöst, die »Rabenväter«, sind unserer Sprache entflogen und haben die »Rabenmütter« allein zurückgelassen. Und es will mir so scheinen, als müsste für jeden »Rabenvater«, der unserer Sprache jetzt fehlt, gleich dreimal »Rabenmutter« gesagt werden.
    Arme Königin, es wird dich nicht trösten, aber du warst deiner Zeit voraus. Zur Rabenmutterschaft verdammt wegen eines einzigen Satzes, der dir in Ungeduld entwischt… Weit Schwereres mussten deine Zeitgenossinnen sich zuschulden kommen lassen, um als »Rabenmutter« verflucht zu werden. Sie mussten ihr Kind ertränken, im Mist vergraben, in einem hohlen Baum versenken.
    Ach, wären wir doch immer noch so streng - und weitherzig zugleich, dass wir nur die mit jenem bösen Wort belegen wollten, die wirklich zu verachten sind!
    Königin, ich darf dir nicht verraten, wie dein Märchen zu Ende geht, ob du die Tochter jemals wiedersehen wirst. Nur so viel: Kehrt sie dir zurück, frage sie doch bitte, wie es ihr als Rabe ergangen ist. Ob es nicht ohnehin höchst dumm ist von uns Menschen, den Namen dieser Vögel so geringschätzig im Munde zu führen. Und was sie zu jener unerhörten Geschichte sagt, die ich in einer Gartenlaube aus dem Jahre 1860 fand:
    »Am 15. Mai d. J. ging ich, wie gewöhnlich, nach dem eine halbe Stunde von meinem Wohnorte entfernt liegenden Gute Volkhausen, um daselbst Privatunterricht zu erteilen. Mit den Worten: >Ich kann Ihnen etwas Neues zeigen, was Sie nicht alle Tage sehen<, empfing mich Herr Volkhausen, ein sinniger Beobachter der Natur; >in der Nähe lasse ich eine Eiche fällen, auf der sich ein Rabennest befindet; wollen wir nicht sehen, wie sich die Alten verhalten werden?<
    Sehr gern ging ich mit. Eben kamen wir noch zu rechter Zeit; denn die Eiche konnte den gewichtigen Schlägen nicht lange mehr widerstehen. Schon von Weitem hatten wir gesehen, wie der Rabe - es war nur einer da - in immer engern Bogen das bedrohte Nest umkreiste. Jetzt neigt sich der Baum. Die Jungen mögen ihre Mutter - sie war es, wie sich nachher ergab - um Hilfe gefleht haben; denn pfeilschnell senkt sich der alte Rabe auf sein Nest. Noch ein paar Hiebe - und der Baum liegt an der Erde. >Wo ist das Rabennest?<, fragten selbst die rohen Arbeiter. Es war noch da, und auf ihm der alte Rabe, von einem Aste erschlagen, im Tode noch zwei seiner Jungen mit seinen Flügeln deckend!«
     
    >German Angst, Kindergarten, Mutterkreuz, das Weib

Reformation
     
    Ein Kreuz, schwarz, im Herzen. Das seine natürliche Farbe hätte. Rot.
    So man von Herzen glaubt, wird man gerecht. Solch ein Herz soll mitten in einer weißen Rose stehen. Soll anzeigen, dass der Glaube Freude, Trost und Friede gibt. Die Rose soll weiß sein. Weiß ist der Geister und aller Engel Farbe.
    Solch eine Rose steht im himmelfarbenen Feld. Denn die Freude im Geist und Glauben ist ein Anfang.
    Um solch ein Feld folgt ein goldener Ring, auf dassdie Seligkeit im Himmel ewig währt und kein Ende hatDas Wappen des Reformators:bei allen Freuden und Gütern, die Luther-Rose.Wie das Gold, das edelste, das köstlichste Erz.
     
    Der so ins Schwärmen kommt, ist der Kirchenreformator Martin Luther. Der Anlass ist die Beschreibung seines Wappens, der Luther-Rose. Ein Text, dessen Motive man eher der deutschen Mystik mit ihrer bildstarken muttersprachlichen Wortsetzung zuordnen würde. Luther, ein Mystiker?
    Gesetzt den Fall, man befindet sich in einem ICE und blättert in der Bahnzeitschrift - so lange ist man schon im Zug, dass man sogar in der Bahnzeitschrift blättert -, und darin stößt man in einem Artikel auf die »Luther-Rose«, und der Zug hält gerade mal für eine Minute an einem Ort, der sich »Lutherstadt Wittenberg« nennt. Eine knappe Stunde noch, und man ist in Berlin. Man blickt aus dem Fenster und sieht einen Bahnhof. Würde man jetzt aus dem Zug steigen, in dieser einen Minute, die er hier hält und in der alles still steht, würde man im nächsten Augenblick ratlos auf einer Bank am Bahnsteig

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