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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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hinaufgestimmt« habe. Folgerichtig verlangte er denn auch: »Eva sollte die Vernunft, ihr zum Andenken, heißen.«
    Noch lauter als alle Pfarrer, Priester und Rabbis dürften an dieser Stelle jene gelehrten Männer aufgequiekt haben, die mit Martin Luther davon überzeugt waren, dass es Weibern nicht nur an »Stärke und Kräften des Leibes«, sondern vor allem »am Verstände« mangele.
    Einer von ihnen war Immanuel Kant, der den »gelehrten Frauen« unterstellte, dass sie »ihre Bücher etwa so wie ihre Uhr« brauchten, »nämlich sie zu tragen, damit gesehen werde, dass sie eine haben; ob sie zwar gemeiniglich still steht oder nicht nach der Sonne gestellt ist«.
    Hippel war häufiger Gast bei Kants Tischrunden in Königsberg. Vielleicht wäre Licht in das Frau-Weib-Rätsel gedrungen, hätte man lauschen dürfen, was sich der Verfechter des als vernünftig angenommenen Weibes und der Verächter der für töricht, da letztlich triebhaft gehaltenen Frau in dieser Frage zu sagen gehabt hätten.
    Dass ausgerechnet der Feminist Hippel fast durchgängig vom »Weib« sprach, könnte indes mehr gewesen sein als ein stilistischer Ausrutscher. Wie die Grimms in ihrem Wörterbuch erinnerte auch er an frühere Zeiten, in denen »das deutsche Weib […] allemal mehr als andere Weiber« gegolten habe, weil den Germanen der Rat ihrer Weiber wichtig, »ihre Aussprüche ihnen heilig« gewesen seien. (Dass die alten Griechen nach Delphi zur Pythia gepilgert sind, unterschlug er.) Doch wiederum anders als Schiller meinte Hippel mit der Ratgeberin nicht die züchtige Hausfrau, die drinnen walten, die Mutter, die weise im häuslichen Kreise herrschen sollte. Fest gemauert in der Erde stand für ihn weniger die Form aus Lehm gebrannt, als vielmehr das Weib.
    Womöglich hätte Hippel seinem Freund Kant zugestanden, dass Männer die höhere Vernunft besäßen - die tiefere attestierte er den Weibern; gewissermaßen eine Vernunft mit Unterleib gegen die männlichen Kopfgeburten. Den Erfinder der reinen Vernunft hätte es geschüttelt. Aber jeder, der eine gewisse Erdung für das Fundament alles Vernünftigen und nicht dessen Hindernis hält, wird jenem Gedanken die Attraktivität nicht völlig absprechen.
    Wer »Weib« sagt, scheint stets ein herzhaftes, vor Leben strotzendes und damit letztlich erotisches Wesen vor Augen zu haben. Dagegen spricht nur scheinbar, dass die katholische Kirche in ihrem Ave Maria die Mutter Gottes als »Gebenedeite unter den Weibern« begrüßt. Schließlich wächst auch in deren Leib kostbarstes Leben - und wenn es »nur« der Heilige Geist gewesen ist, der über sie gekommen ist.
    Wer jedoch ganz sichergehen will, das Missverständnis zu vermeiden, er führe Sinnliches im Schilde, sagt lieber »Frau«. Das war schon bei den mittelalterlichen Minnesängern so: »Ze frowen habe ich einen sin: / als si mir sint als bin ich in; / wand ich mac baz vertriben / die zit mit armen wiben.« Auf gut Neuhochdeutsch: »Zu Edelfrau’n heg ich den Sinn, / Dass, wie sie mir, ich ihnen bin. / Die Zeit mir zu vertreiben, / Mag ich bei Mägden [= armen Weibern] bleiben.« Allerdings deutet Hartmann von Aue im weiteren Verlauf seines Gedichts an, dass man mit den »armen wiben« mehr Spaß hat als mit den »frowen«, die zwar gern als das »scheeniste wip« angeschmachtet, aber keinesfalls angefasst werden dürfen.
    Nur so ist zu erklären, wieso sich der Deutsche, wenn er in Schunkellaune ist, zwar stets zu »Wein, Weib und Gesang« bekennt - in der früheren zweiten Strophe seiner Nationalhymne hingegen »deutsche Frauen, deutsche Treue, deutschen Wein und deutschen Sang« pries.
    Auch Friedrich Nietzsche, einer der leidenschaftlichsten Verächter des weiblichen Geschlechts, schien dies gespürt zu haben. In Also sprach Zarathustra lässt er den Verkünder des Übermenschen im Wechsel mit einem »alten Weiblein« so lustige Sentenzen formulieren wie diese, dass alles am Weibe ein Rätsel sei und alles am Weibe eine Lösung habe: »Sie heißt Schwangerschaft.« Nachdem sich die beiden zwei Seiten lang ausschließlich über »die Weiber« verständigt haben, gibt das alte Weiblein Zarathustra zum Schluss den berühmt gewordenen Rat: »Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!«
    Warum hat der schnauzbärtige Philosoph ausgerechnet hier zur »Frau« gegriffen? Weil die Peitsche bei echten Weibern - deren Glück sich ohnehin auf die Formel reduzieren lasse »er will« - gar nicht nötig ist, sondern nur bei solchen, die

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