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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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hat kein andres Verdienst, als dass sie ist. Mit einer Leichtigkeit, als wenn der bloße Instinkt aus ihr handelte, übt sie der Menschheit peinlichste Pflichten aus; und das heldenmütigste Opfer, das sie dem Naturtriebe abgewinnt, fällt wie eine freiwillige Wirkung eben dieses Triebes in die Augen. Daher weiß sie auch niemals um die Schönheit ihres Handelns, und es fällt ihr nicht mehr ein, dass man anders handeln und empfinden könnte.«
    Den schmalen Grat, inneren Seelenfrieden zu gewinnen, selbst in der Welt tätig zu werden, und gleichzeitig eine Familie zu gründen, hatte Sophie von La Roche beschritten. Der zwanzig Jahre jüngere Goethe nannte die ebenso pietistisch fromm erzogene wie gebildete Schriftstellerin und Salondame, die acht Kinder zur Welt gebracht hatte, bevorzugt »Mama«. Ihre poetische Jugendliebe Christoph Martin Wieland betete sie als »seine schöne Seele, seine kluge Königin« an, wenngleich er einem Freund per Brief versicherte: »Ich bin vollkommen Ihrer Meinung, mein Herr, dass ein gelehrtes Frauenzimmer, ein weiblicher Bel-Esprit de profession, schwerlich einen Mann und eine Familie glücklich machen wird.«
    In späteren Jahren gab Sophie von La Roche die erste deutsche Frauenzeitschrift heraus, die tatsächlich von einer Frau gemacht wurde: Pomona für Teutschlands Töchter. Sogar Katharina die Große soll zu den Abonnentinnen des Magazins gehört haben, das versprach, die Leserinnen »wie bei einem Spaziergang mit einer Freundin« mitzunehmen. Selbstbewusst erklärte die Herausgeberin und alleinige Redakteurin im Vorwort zum ersten Heft: »Das Magazin für Frauenzimmer und das Jahrbuch der Denkwürdigkeiten für das schöne Geschlecht zeigen meinen Leserinnen, was deutsche Männer uns nützlich und gefällig achten. Pomona wird Ihnen sagen, was ich als Frau dafür halte.«
    Dennoch war Sophie von La Roche keine Alice Schwarzer der Empfindsamkeit. Sobald ein Mann ihr Haus betrat, griff die Erfolgsautorin nach Stricknadeln oder Stickrahmen. Auch in ihrer Geschichte des Fräuleins von Sternheim - jenem Bestseller, der sie im ausgehenden 18. Jahrhundert zu einer literarischen Sensation machte - stachelte sie ihre Geschlechtsgenossinnen nicht zum Sturm auf männliche Bastionen an, sondern ließ ihre vom Unglück verfolgte Heldin, eine wahrhaft schön-gute Seele, im Schillerschen Sinne sagen: »Meine Erziehung hat mich gelehrt, dass Tugend und Geschicklichkeit das einzig wahre Glück, und Gutes tun, die einzig wahre Freude eines edlen Herzens sei; das Schicksal aber hat mir den Beweis davon in Erfahrung gegeben.«
    Trotzdem war Sophie von La Roche weit mehr als eine tätige Dulderin. Sie unternahm lange Reisen in die Schweiz, durch Frankreich, Holland und England. Sie war die erste deutsche Frau, die bis zu den Gletschern des Mont Blanc stieg, die erste deutsche Frau, die ausführliche Reiseberichte veröffentlichte.
    Soweit im deutschen Bewusstsein überhaupt noch ein Bild Sophie von La Roches existiert, wird es von Goethe bestimmt. Im dreizehnten Buch von Dichtung und Wahrheit schreibt er über die ehemalige Gastgeberin »Sentimentaler Kongresse«: »Sie schien an allem teilzunehmen, aber im Grunde wirkte nichts auf sie. Sie war mild gegen alles und konnte alles dulden, ohne zu leiden; den Scherz ihres Mannes, die Zärtlichkeit ihrer Freunde, die Anmut ihrer Kinder, alles erwiderte sie auf gleiche Weise, und so blieb sie immer sie selbst, ohne dass ihr in der Welt durch Gutes und Böses, oder in der Literatur durch Vortreffliches und Schwaches wäre beizukommen gewesen. Dieser Sinnesart verdankt sie ihre Selbstständigkeit bis in ein hohes Alter, bei manchen traurigen, ja kümmerlichen Schicksalen.«
    Mit welcher Herablassung der Großdichter Sophie von La Roche bei aller »Mama«-Devotion letztlich begegnete, wird deutlich, liest man die Schilderung, die er seinem Freund Schiller in einem Brief gab: »Sie gehört zu den nivellierenden Naturen, sie hebt das Gemeine herauf und zieht das Vorzügliche herunter und richtet das Ganze alsdann mit ihrer Sauce zu beliebigem Genuss an; übrigens möchte man sagen, dass ihre Unterhaltung interessante Stellen hat.«
    So muss sich die schöne Seele, die sich nicht aus der Welt zurückzieht, sondern den schwierigen Gang antritt, Selbstständigkeit und Dasein für andere ins Lot zu bringen, am Schluss schelten lassen, sie sei doch bloß eine laue Seele.
    Die Nemesis ereilte Goethe wenige Jahre später in Gestalt von Sophie von La Roches Enkelin

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