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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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wieder in die Berge zurückzuziehen.
    Die Proben zu dem Stück Ilse Langners hatten gerade begonnen, als die Nationalsozialisten die Macht ergriffen - eine Aufführung kam nicht mehr zustande. Daran änderte sich auch nichts, als die Autorin 1936 einen Epilog hinzufügte, der Frauen und Männern ein versöhnliches Finale gönnte: Im Berliner Olympia-Stadion geht ein internationaler Flugwettbewerb zu Ende. Das deutsche Fräulein König hat in ihrer »Fliegenden Amazone« gewonnen, obgleich sie ihrem stärksten Konkurrenten, einem amerikanischen »Mr. Heros«, geholfen hatte, als dessen »Silbervogel« kurz hinter Moskau eine Panne hatte. Doch der Vertreter der »Achilles-Werke« zeigt sich als fairer Verlierer und lobt die Siegerin mit den Worten: »Freue mich trotzdem, dass die Amazone gewonnen hat, denn sie ist große Klasse und ein wunderbarer Kamerad.«
    Auch wenn die Nationalsozialisten - und nach ihnen die Bundesrepublikaner - mit dem Stück Ilse Langners nichts anfangen konnten: In der Wirklichkeit waren sie durchaus bereit, Frauen ins Cockpit zu lassen und sogar bei der Luftwaffe zu engagieren. Hanna Reitsch, die als Zwanzigjährige Rekorde im Segelflug aufgestellt hatte, wurde 1937 Versuchspilotin der Luftwaffe, testete Stukas, Bomber und Jäger und setzte sich im Krieg dafür ein, eine Kamikaze-Einheit mit »Selbstopfer-Piloten« aufzubauen, die dann allerdings doch nicht ins Leben bzw. in den Tod gerufen wurde. Als einzige Frau der deutschen Geschichte erhielt Hanna Reitsch das Eiserne Kreuz 1. Klasse. Obwohl die Fliegerin selbst nie Mitglied der NSDAP gewesen war, hielt sie in Nibelungentreue zum »Führer« und flog in einem »Fieseier Storch« am 26. April 1945 noch einmal in das von der Roten Armee eingeschlossene Berlin, um Generaloberst von Greim zu Hitler zu bringen.
    Noch unwahrscheinlicher liest sich die Karriere von Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg, geborene Schiller, die nach Hanna Reitsch als zweite deutsche Frau zum Flugkapitän ernannt wurde: Als Ingenieurin arbeitete sie für die Luftwaffe an der Entwicklung von Sturzflugvisieren, welche sie in über 2500 Sturzflügen selbst erprobte. Aufgrund ihrer jüdischen Abstammung war die Fliegerin zwischenzeitlich aus der Luftwaffe entlassen worden, dann doch wieder eingestellt und im Jahre 1943 mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse und dem »Militärfliegerabzeichen in Gold mit Brillanten und Rubinen« ausgezeichnet worden. Nach dem gescheiterten Hitler-Attentat ihres Schwagers Claus Schenk Graf von Stauffenberg kam sie in Sippenhaft - und sechs Wochen später wegen »kriegswichtiger Aufgaben« frei. In den letzten Kriegstagen wurde sie - vermutlich von einem amerikanischen Jagdbomber - abgeschossen, als sie versuchte, einen Gefangenentransport in Bayern zu erreichen, in dem sie Mitglieder ihrer Familie vermutete.
    Auch Beate Uhse, die sich nach dem Krieg zu Deutschlands erfolgreichster - und berüchtigtster - Unternehmerin emporarbeitete, begann ihre Laufbahn nicht mit Reizwäsche und Vibratoren, sondern als Stunt-Pilotin für die UFA und Überführungsfliegerin im Range eines Luftwaffen-Hauptmanns, die Flugzeuge an die Front brachte.
    Es bleibt eine verstörende Tatsache, dass nicht nur in der Weimarer Republik, sondern noch im »Dritten Reich« solche amazonischen Karrieren möglich waren. Hanna Reitsch berichtet zwar in ihren Memoiren, dass sie häufig Anfeindungen der männlichen Kollegen ausgesetzt gewesen sei - Beate Uhse hingegen erzählt, nie ein Problem mit »den Jungs« gehabt zu haben.
    Auf den ersten Blick könnte man meinen, die »fliegenden Weiber« wären nur deshalb geduldet gewesen, weil sie schließlich allesamt bereit gewesen sind, fürs Vaterland zu sterben. Aber auch die Abenteurerin Elly Beinhorn, die nicht für die Luftwaffe arbeitete, sondern 1932 als erste Frau die Welt im Alleinflug umrundete und 1936 innerhalb von 24 Stunden Afrika, Asien und Europa überflog, blieb in der NS-Zeit ein Star. Und niemand erwartete, dass die fliegenden Amazonen entweder als eiserne Jungfrauen lebten oder die Fliegerei aufgaben, sobald ein Mann in ihr Leben trat. Beate Uhse und Elly Beinhorn flogen selbst während ihrer Schwangerschaften unverdrossen - und ungehindert - weiter.
    Die ganze Ambivalenz, mit der die Nazis den wilden Weibern begegneten, lässt sich an dem ablesen, was Joseph Goebbels in seinen Tagebüchern über Leni Riefenstahl schrieb, die Gallionsfigur der reichsdeutschen Filmindustrie, deren liebstes (und leider nie

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