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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Schild und Speer vor Augen haben, und Wagner Brünnhilde überhaupt erst zu einer Walküre erhoben hat - im Grunde »entwalkürisiert« er sie und macht ein liebendes (spätes) Erlösungsmädchen aus ihr. Jenseits der Stimmgewalt sucht man im Ring vergeblich nach weiblichen Kraftexzessen, wie sie das Nibelungenlied im Zusammenhang mit Gunthers gescheiterter Hochzeitsnacht so genüsslich schildert: »Er rang nach ihrer Minne und zerrauft’ ihr Kleid. / Da griff nach einem Gürtel die herrliche Maid, / Einer starken Borte, die sie um sich trug: / Da tat sie dem König großen Leides genug. // Die Fuß und die Hände sie ihm zusammenband, / Zu einem Nagel trug sie ihn und hing ihn an die Wand.«
    Obwohl Brünhild bei ihren früheren Auftritten bis hin zu dem in Hebbels Tragödie das ungleich kraftstrotzendere Weib ist, ist sie dort letztlich nicht mehr als eine Witzfigur: die weibliche Trutzburg, die vom männlichen Helden umso brutaler geschleift werden muss und, nachdem dies geschehen ist, achtlos zur Seite geworfen wird. Zur Rächerin, die zugleich Erlöserin ist, steigt sie erst im Ring auf. Zuvor bleibt die zentrale Frauenfigur die milde Kriemhild, die von Wagner stiefväterlich behandelte Gutrune, die sich erst durch Siegfrieds Tod in eine Mordfurie verwandelt.
    Auch Wagner kann das starke Weib nicht einfach starkes Weib sein lassen. Liebe hat tödlich zu enden, sonst ist sie keine Liebe, sondern Zeitvertreib. Und je stärker die Geschlechterkontrahenten sind, die aufeinanderprallen, desto gleißender sprühen die Funken. Immerhin drückt sich darin eine existenziell tragische Weltsicht aus - und nicht jener schlichte patriarchale Wahn, der meint, jede Widerspenstige zum braven Eheweib gezähmt zu bekommen.
    Gibt es für das wilde Weib im deutschen Bewusstsein einen Ort jenseits davon, dass sie im Liebesfeuer verglühen muss? Taugt Germania, die sich auf keine erotischen Schlachten einlässt, zur weiblichen Heldenfigur?
    »Das deutsche Land ist heute übersät mit einer Fülle gepanzerter Machtweiber in Marmor und Bronze, die als >Germania< das Symbol unserer nationalen Einheit darstellen sollen. Ich würde mich dieser undeutschen künstlerischen Ausdrucksform nicht freuen, selbst wenn sie ästhetisch wertvoller geraten wäre. Sie berührt uns nicht das Herz. Die frostige weibliche Personifikation hat für uns nie Blut und Leben gewonnen. Der Deutsche hat von jeher sein Ideal, den Inbegriff seiner Wünsche, in die Gestalt des Helden gekleidet. Der Held aber ist ein Mann.« Mit diesen markigen Sätzen eröffnete der Germanist Gustav Roethe seine Rede über Deutsches Heldentum, die er 1906 in Berlin anlässlich des Geburtstags von Kaiser Wilhelm II. hielt. In der Tat scheint den meisten seiner Zeitgenossen wohler gewesen zu sein mit einer Germania, die nicht selbst das Schwert führt, sondern sich auf die Rolle der Mutter beschränkt, die kriegerische Söhne gebiert - und gefallene Söhne betrauert. Allerdings gab es die »gepanzerten Machtweiber«, über die sich der Germanist beschwert, durchaus: Die Frauenfigur, die sich auf dem Niederwalddenkmal hoch über dem Rhein erhebt, ist stolze Herrin und keine Mater dolorosa. Noch martialischer wurden die Germania-Darstellungen zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Am Vorabend des großen Völkergemetzels hatten sie alle Anmut verloren und ähnelten dem, was Friedrich Schiller in seinem Lied von der Glocke mit Blick auf die militanten Frauen der Französischen Revolution geschrieben hatte: »Da werden Weiber zu Hyänen / Und treiben mit Entsetzen Scherz, / Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen, / Zerreißen sie des Feindes Herz.«
    Der Dichter, der selbst in der Heiligen Jungfrau von Orleans vor allem die Anmut suchte, verband mit diesem Bild jedoch keine morbide Wollust, sondern Abscheu. Ins blutige Liebesfieber einer Kleistschen Penthesilea hätte sich der Wahl-Weimarer aus Schwaben nicht hineinschreiben können.
    So sehr das kriegerische Mannweib die Phantasie der Deutschen quer durch die Jahrhunderte beschäftigte, so schwer taten sie sich damit, die wenigen realen Kriegerinnen, die das Land hervorgebracht hatte, im kollektiven Gedächtnis zu bewahren. An Eleonore Prochaska etwa, die preußische Soldatentochter, die sich im Jahre 1813, in den Kriegen gegen Napoleon, als Mann verkleidet unter dem Namen »August Renz« dem Lützowschen Freikorps anschloss und im feindlichen Kartätschenhagel fiel, erinnert sich heute (mit Ausnahme einiger Beethoven-Kenner, die seine Musik

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