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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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sich der Staat mit den Kaufleuten. Afrika rückt als Rohstofflieferant in den Mittelpunkt des Interesses. Die Forschungsreise wird zum Aufklärungsunternehmen, zur Erkundungsfahrt. Es gilt stets, ins Innere Afrikas vorzustoßen. Und man spricht bald auch vom Herzen der Finsternis. Dem Kontinent wird ein Geheimnis verpasst. Afrika wird zum Inneren Afrikas und damit zum Seelenort. Die Afrikaforscher unterscheiden sich vom Rest der Branche.
    In Deutschland fehlt bis zur Gründung des Kaiserreichs der nennenswerte Auftraggeber solcher Erkundungsunternehmungen. Erst der Wilhelminismus begibt sich ins Abenteuer der Afrika-Vermessung, und auch er nur zögerlich. Davor sind die deutschen Forschungsreisenden Teilnehmer und Teilhaber ausländischer Expeditionen. Zwei von ihnen machen es besonders deutlich, Forster und Alexander von Humboldt.
    Das Leben des Georg Forster war kurz. Dafür war es ihm gegeben, seine Interessen schon früh zu erkennen. Als Halbwüchsiger nahm sein Vater, ein Theologe evangelisch-lutherischen Glaubens, der allerdings mehr Interesse an den Naturwissenschaften als am Häuptling im Himmel zeigte, den Sohn mit auf seine Reisen.
    So wird Georg Forster zum Teilnehmer einer der berühmtesten Forschungsreisen überhaupt, der zweiten Expedition des Kapitäns Cook, dessen guter Name heute noch von Reisebüros verwendet wird. Drei Jahre dauert die Fahrt auf den Weltmeeren von 1772 bis 1775. Forster hat so die Gelegenheit, nicht nur die fremde Pflanzen- und Tierwelt kennenzulernen und zu beschreiben, sondern auch den Völkern zuzuschauen und sogar ihre Sprachen zu erlernen, wofür er anscheinend ein Talent besaß.
    Nach seiner Rückkehr schrieb er ein Buch auf Englisch. Hier der aufschlussreiche Titel der uns vorliegenden deutschen Ausgabe: Johann Reinhold Forster’s […] Reise um die Welt während den Jahren 1772 his 1775 in dem von Seiner itztregierenden Großbrittannischen Majestät auf Entdeckungen ausgeschickten und durch den Capitain Cook geführten Schiffe the Resolution unternommen. So wurde der junge Forster zwar nicht zum bahnbrechenden Naturwissenschaftler, aber zum Erfinder des wissenschaftlich begründeten Reiseberichts.
    Zurück in der alten Welt, war er in London und Paris zunächst ein europäischer Star, danach in belanglosen Professuren (zumindest in seinen eigenen Augen) in Wilna und Kassel und zuletzt in Mainz, wo er, fürstlich ausgestattet, zum Bibliothekar bestellt war. Dort, im »mainzischen vis inertiae«, wie er an seinen Freund Christoph Friedrich Nicolai schreibt, erreichten auch ihn die Ausläufer der Französischen Revolution. 1792 gehörte er zu den Mitbegründern der Mainzer Revolte. Dafür reichte es gerade so: für eine Revolution in Mainz, in Bergzabern und Bingen, eventuell noch in Landau. Und auch das nur wegen des anwesenden französischen Militärs.
    Forster gehörte zu den Jakobinern der Stadt, wobei nicht ganz klar ist, was es zu bedeuten haben konnte, in Mainz Jakobiner zu sein. Fest steht, dass er für das Erscheinen einer deutschen Übersetzung von Thomas Paines Verteidigung der Revolution, The Rights of Man, gesorgt und diese auch mit einer anonymen Vorrede versehen hat.
    Aber auch insgesamt erwiesen sich die Ausrufung der Republik und der umgehend besiegelte Anschluss-Antrag an Frankreich als politischer Fehlgriff. Die Sache ist eher geschichtlich interessant, weil sie dem politisch korrekten Historiker von heute zur ersehnten Fundstelle des Fortschrittlichen verhilft. Die Mainzer Republik ist zwar bedeutungslos, aber populär.
    Forster befand sich zum Zeitpunkt des Endes der Republik gerade in Frankreich, im Auftrag der Mainzer. Er blieb also in Paris, wo er knapp vierzigjährig starb, an einer Tuberkulose, wie es heißt. Außerhalb der Fachwelt war er schnell vergessen.
    Erst die DDR belebte die Erinnerung an den Politiker Forster. Solche Landeskinder in der Geschichte konnte sie gut gebrauchen, um ihre Herkunft aus der sowjetischen Besatzungsmacht zu verharmlosen und so zu tun, als ob sie eine Legitimität in der deutschen Geschichte hätte. Als ob sie der Endpunkt dieser Geschichte hätte sein können. Sie widmete »ihrem Forster« sogar eine Briefmarke.
    Heute aber kennt man Forster auch in Mainz. Jedenfalls braucht man keine DDR mehr, um eine solche historische Figur wie Georg Forster zu feiern.
    Auf den politisch untragbaren Forster folgt ein Gigant des deutschen Forschungsbetriebs, Alexander von Humboldt, Sohn eines preußischen Offiziers und einer

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