Die Deutschen
als drittem Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus.
Am 8. Mai 1949 wurde im Bereich der westlichen Besatzungsmächte das Grundgesetz für die »Bundesrepublik Deutschland« (brd) durch den Parlamentarischen Rat in Bonn angenommen, und am 7. Oktober wurde im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands die Verfassung der »Deutschen Demokratischen Republik« (ddr) in Kraft gesetzt. Damit war die Trennung Deutschlands in zwei sich politisch und wirtschaftlich widersprechende Teile offenbar besiegelt, obwohl von beiden Seiten immer wieder behauptet wurde, daß sie unter bestimmten Bedingungen zur Wiedervereinigung bereit seien.
Die Bundesrepublik erlebte einen ständig fortschreitenden wirtschaftlichen Aufschwung, nicht zuletzt gefördert durch die Wirtschaftshilfe der Vereinigten Staaten von Amerika und den Ausbruch des Kroeakrieges, der einen Wirtschaftsboom von riesigen Ausmaßen hervorrief.
In der ddr beschloß die 2. Parteikonferenz der sed am 12. Juli 1952 die »planmäßige Errichtung der Grundlage des Sozialismus«. »Denn« – so erklärte Walter Ulbricht – »die politischen und ökonomischen Bedingungen und das Bewußtsein der Arbeiterklasse und der Mehrheit der Werktätigen sind so weit entwickelt, daß der Aufbau des Sozialismus zur grundlegenden Aufgabe geworden ist.« Bei diesem Plan war man allerdings von Illusionen ausgegangen. Die Unzulänglichkeit der Rohstoffquellen und des Industriepotentials sowie die ablehnende Haltung der Bevölkerung ließen eine Realisierung nicht zu. Gegen Ende des Jahres 1952 stellte sich heraus, daß der Export weit hinter dem Import zurückgeblieben war. Die Regierung und die sed sahen keine andere Lösung, als die Arbeitsnormen und damit die Arbeitsproduktivität zu steigern und auf diese Weise die Selbstkosten zu senken. Die Sowjetunion hingegen riet den Genossen in Berlin, ihre Wirtschaftspolitik umzustellen und eine Hebung des Lebensstandards anzustreben. Dieser Weisung folgend, beschloß das Polit-Büro der sed, der Regierung eine Reihe von Maßnahmen zu empfehlen, »die der entscheidenden Verbesserung der Lebenshaltung aller Teile der Bevölkerung und der Rechtssicherheit in der ddr dienen«. Am 11. Juni 1953 folgte der Ministerrat diesen Empfehlungen; er stoppte die beschleunigte Umwandlung der ddr in eine Volksdemokratie und machte damit in entscheidenden Punkten viele Zwangsmaßnahmen rückgängig. Gleichzeitig aber erließ das Polit-Büro der Partei eine Anweisung an den Ministerrat, die Arbeitsnormen zu erhöhen, wobei allerdings gefordert wurde, daß »nicht diktatorisch und administrativ« vorgegangen werden dürfe, daß vielmehr die Arbeiter vorher von der Richtigkeit der Normenerhöhung »überzeugt« werden müßten.
Seit Anfang Juni war in Arbeiterkreisen über die Normenfrage diskutiert und die Möglichkeit einer Arbeitsniederlegung als Kampfmaßnahme gegen die Normenerhöhung erörtert worden. Als dann die Gewerkschaftszeitung »Tribüne« erklärte, »die Normenerhöhung sei in vollem Umfang richtig«, wirkte das wie »der Zünder für die Erregungswelle«. Am 15. Juni verweigerten Bauarbeiter verschiedener Blocks in der Stalinallee in Ostberlin die Arbeit und beschlossen eine Resolution an die Regierung.
Am 16. Juni – es goß in Strömen – formierte sich in der Stalinallee ein Demonstrationszug von etwa 30 Bauarbeitern, die der Gewerkschaftszentrale und der Regierung die Forderung auf Herabsetzung der Normen vortragen wollten. Weitere Blocks schlossen sich den Demonstrierenden an, bis vor dem Haus der Ministerien etwa zehntausend Demonstranten standen.
Erfolglos versuchten Minister Selbmann und Professor Havemann, die Demonstrierenden zu belehren. Sprechchöre verlangten das Erscheinen Grotewohls und Ulbrichts, doch ließ sich weder der eine noch der andere blicken. In den Reden und Zurufen aus den Reihen der Demonstranten wurden nun auch politische Forderungen laut, die Zustimmung fanden.
Ein Arbeiter verlangte die Proklamierung des Generalstreiks, falls die Regierung nicht zurücktrete. Großer Beifall! Dann marschierten die Demonstranten zu ihren Arbeitsplätzen in die Stalinallee zurück. Inzwischen verkündeten Lautsprecherwagen in gewundener und unklarer Rede den Beschluß, die Normen herabzusetzen. Es kam zwischen Funktionären und Arbeitern zu tätlichen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf ein Lautsprecherwagen erobert wurde, aus dem heraus zum Generalstreik aufgerufen und die Arbeiter aufgefordert wurden, sich am Morgen des 17.
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