Die Deutschen
Aber das ist überall in den gleichen Kampf verwickelt wie die Wiener. Frankfurt, Baden, Köln sind eben besiegt und entwaffnet worden. In Berlin kann es jeden Tag zu offenen Kämpfen zwischen Volk und Heer kommen. Als der Aufstand in Wien ausbrach, gab es in der deutschen Nationalversammlung zahlreiche Interpellationen, Debatten, Anträge und Gegenanträge, die zu nichts führten. Die »Zentralgewalt« sollte einschreiten. Endlich entschloß man sich, zwei Kommissare zu entsenden. Aber statt nach Wien zu gehen, lassen sie sich von Windischgrätz anschnauzen und von dem Minister Stadion lächerlich machen. Ihre Telegramme und Berichte sind eine Schande für die Frankfurter Nationalversammlung und ihre Regierung. Nun entsendet die Linke zwei Kommissare nach Wien, um dort die Autorität der Nationalversammlung zur Geltung zu bringen. Es sind die Herren Fröbel und Robert Blum. Die Lage wird bedrohlich für sie; Blum aber vertritt die Meinung, daß hier die Entscheidungsschlacht der deutschen Revolution geliefert werde, und setzt ohne Zögern sein Leben für die Sache ein.
In den Straßen der Stadt tobt noch ein furchtbarer Barrikadenkampf. Die Bürger verlassen schließlich ihre Stellungen und bedrängen die Behörden, nachzugeben. Die Arbeiter kämpfen – neun Stunden lang – unter schweren Verlusten weiter. Aber sie werden von den Bürgern preisgegeben. »Der schmachvollste Verrat, den jemals die Weltgeschichte gesehen hat«, schreibt Robert Blum in einem seiner letzten Briefe.
Am Mittag des 1. November wird die schwarzrotgoldene Fahne vom Stephansdom niedergeholt. Am 9. November wird Robert Blum trotz seiner Immunität als Abgeordneter der Nationalversammlung und wider alle Gesetze standrechtlich erschossen. Die Insassen ganzer Häuserblocks, Personen jeden Alters und Geschlechts, werden hingemetzelt. Mit dem Blutrausch der siegreichen Soldaten verbindet sich nun Raubsucht der Plünderer: eine Terrorwelle läuft durch die unglückliche Stadt.
Der Ministerpräsident läßt das Gebäude des Wiener Reichstages schließen und steckt den Schlüssel mit den Worten in die Tasche: »Es gibt keinen Reichstag mehr.«
Chronik November-Dezember 1848
Der Staatsstreich des Königs von Preußen
5. Dezember 1848
1848 10. November: General Wrangel zieht mit seinen Truppen in Berlin ein. Die Mehrheit der demokratischen Linken entscheidet, daß kein bewaffneter Widerstand geleistet werden soll. Die verfassunggebende Versammlung wird aufgelöst, die Bürgerwehr entwaffnet und über Berlin der Belagerungszustand verhängt.
18. November: Der Rheinische Kreisausschuß der Demokraten unter Führung von Karl Marx ruft zur allgemeinen Steuerverweigerung, zur Organisierung des bewaffneten Landsturms und zur Bildung von Sicherheitsausschüssen auf.
23.–24. November: In Erfurt kommt es zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit dem Militär.
5. Dezember: Der preußische König vollendet seinen Staatsstreich durch Auflösung der preußischen verfassunggebenden Versammlung und der »Oktroyierung« einer Verfassung. Der König behält ein absolutes Vetorecht; die Exekutive liegt allein in seiner Hand.
Der Staatsstreich des Königs von Preußen
5. Dezember 1848
Während sich im Sommer des Jahres 1848 die Höflinge mit ihrem König im Schloß Sanssouci darüber unterhalten, wie man die Revolution rückgängig machen und die alten Verhältnisse wiederherstellen könnte, versuchen die Abgeordneten der preußischen Nationalversammlung eine neue Verfassung zu schaffen, die den demokratischen Grundsätzen und den Erfolgen der Revolution entspricht. Aber während man hier wie dort mehr oder weniger theoretisiert und in die Zukunft blickt, fordert die Gegenwart ihr hartes Recht: die Wirtschaftskrise und die daraus entspringende Arbeitslosigkeit treiben die Proletarier immer wieder auf die Straße, und es kommt zu einer Kette von Arbeiterunruhen, die an manchen Tagen für die Herrschenden bedrohliche Formen annehmen. So entschließt sich die Hofpartei, die durch die Märzunruhen aus Berlin abgezogenen Truppen und das Militär, das durch die Beendigung des Krieges um Schleswig-Holstein frei geworden ist, auf Berlin marschieren zu lassen. Hauptquartier der preußischen Armee unter Führung des Generals Wrangel wird Charlottenburg.
Dort versammeln sich 13000 Mann mit 60 Geschützen. Ein konzentrierter Gürtel von 80000 Soldaten legt sich um Berlin; 100 Geschütze gehen in Stellung. Man ist zum Angriff auf die Arbeiterviertel und zum
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