Die Diagnose: Thriller (German Edition)
Geld etwas zu leihen. Wir waren in der Gulfstream hingeflogen und hatten zu Abend gegessen, nur wir zwei. Danach gingen wir in eine Bar, in der sich koreanische Callgirls mit Russen in Trainingsanzügen amüsierten, diese grässlichen Dinger aus Ballonseide. Wir saßen da und tranken schwarzgebrannten Alkohol. Da platzte er damit heraus. Er musste es jemandem erzählen. Bevor ich mich’s versah, hatte er Lauren auf den Grayridge-Deal angesetzt. Liebe macht blind.«
»Aber sie war nicht blind.«
»Nein. Schon damals gab es bei den Elementen riesige Verluste, das ging in die Milliarden. Greene wollte sie Harry verheimlichen, aber sie kam dahinter. Ein kluger Kopf, diese Frau. Ich wäre da nicht durchgestiegen, das sag ich Ihnen.«
Ich hatte gewusst, dass Underwoods Geschichte nicht stimmen konnte. So etwas hatte Lauren unmöglich übersehen. Wenn sie Harrys Beraterin gewesen war, war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie die Schwachstellen mitten im Herzen von Greenes Bank aufdeckte.
»Wie versteckt man Milliarden von Dollar? Das verstehe ich nicht.«
»Mir ist das auch zu hoch. Ich bin kein Superhirn. Egal, Greene war ihr draufgekommen, bevor sie es Harry sagen konnte. Heutzutage stehen sämtliche Unterlagen zu einer geplanten Fusion oder Unternehmensübernahme in einem digitalen Datenraum zur Verfügung. Früher gab es so etwas in einer Anwaltskanzlei in echt, doch heute steht alles online. Die Banker auf der Käuferseite bekommen einen elektronischen Schlüssel und können sich runterladen, was sie brauchen. Das meiste ist todlangweilig, aber man sollte sich jedenfalls alles ansehen.
Das Problem ist, dass man dabei Spuren hinterlässt. Der Verkäufer weiß also genau, wofür man sich interessiert. Lauren hatte sich jede Menge Material zu den Elementen runtergeladen, und so wusste Underwood, dass sie misstrauisch geworden war, und erzählte es Greene. Der kam eines Abends zu mir und sagte, die Fusion stünde auf der Kippe und ich müsste mich irgendwie um Lauren kümmern. Er saß da, wo Sie jetzt sitzen. ›Wir müssen dieses Miststück irgendwie aufs Kreuz legen‹, sagte er. Reizender Typ.«
»Und Sie haben es ihm erzählt.«
Plötzlich passte alles zusammen − es brachte den Menschen, der Lauren war, in Einklang mit dem, was sie getan hatte. Sie war nicht am Ende einer Affäre abgedriftet, und sie hatte auch nicht in ihrem Job versagt. Sie hatte alles gewusst, aber Greene hatte sie erpresst.
Felix nickte und senkte den Kopf. Sein Gesicht war rot und aufgequollen, als würde in ihm etwas hochkochen. »Tom hat mich überredet. Marcus hat Lauren gesagt, wenn sie nicht den Mund hielte und kündigte, würde er die Affäre öffentlich machen. Also hat sie Harry nichts von den Elementen gesagt, und er ist erst dahintergekommen, als es zu spät war.«
Ich dachte daran, dass Lauren gesagt hatte, ihre Karriere wäre zerstört gewesen, wenn andere von ihrer Beziehung zu Harry gewusst hätten. Dumm , hatte sie es genannt, doch das erfasste kaum das ganze Ausmaß der Katastrophe. Dann dachte ich daran, was Anna mitangesehen hatte – die beiden zusammen in East Hampton, sie hatte die Hände um seinen Kopf gelegt. Lauren hatte Harry da wohl gerade gesagt, was Greene getan hatte und warum sie ihn im Stich gelassen hatte. Es war nicht schwer zu begreifen, was als Nächstes passiert war.
Von all den Lügen, die ich gehört hatte, schockierte mich diese am meisten. Felix war Harrys Freund gewesen, doch er hatte ihn hintergangen. »Warum haben Sie das getan, Felix?«, fragte ich.
»Weil Tom recht hatte«, sagte er langsam. »Harry dachte, er könnte mit Rosenthal gleichziehen, aber ich habe es nicht geglaubt. Er war gut gewesen für Seligman in den guten Zeiten, aber so war es nicht mehr. Die Märkte stürzten ab, und ich hatte Angst. Ich hatte das schon einmal durchgemacht. Wenn Marcus die Bank leitete, würde Rosenthal hinter ihm stehen und das Finanzministerium ebenfalls. Mein ganzes Vermögen steckte in Unternehmensanteilen. Ich konnte mir nicht leisten, es zu verlieren.«
»Sie haben ihn wegen Geld betrogen?«
Es war hart, es so offen auszusprechen, härter, als unbedingt nötig gewesen wäre, und ich denke immer noch darüber nach. Ich wünschte, ich könnte meine Worte zurücknehmen. Zu meiner Entschuldigung muss ich anführen, dass ich sauer war, nicht nur darüber, dass er mich getäuscht hatte, sondern auch, dass er Harrys Vertrauen missbraucht hatte, ohne einen zweiten Gedanken daran zu verschwenden.
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