Die Diagnose: Thriller (German Edition)
Richtung Osten am London Eye vorbei. Das Summen des Teerbelags unter den Reifen war hypnotisierend, und ich merkte, wie ich ins Dösen glitt, als Felix’ BlackBerry schrill klingelte und ich zusammenfuhr.
»Herrje«, sagte er und las den Namen auf dem Display. »Haben Sie Wind in den Weiden gelesen? Sobald der Kröterich ins Gefängnis geht, besetzen die Wiesel sein Anwesen Toad Hall. Wir kriegen noch mehr Gesellschaft.« Er hielt den BlackBerry ans Ohr. »John? … Ich bin entzückt, dich mit an Bord zu haben. Ja, ja, Platz genug. Wir sind bald da.«
Er legte auf und sah mich unglücklich an. »Die Hölle sind die anderen Menschen. Ich fürchte, zwei Investmentbanker möchten einen Flug schnorren. Nachdem Harry alles in den Sand gesetzt hat, waren sie hier, um den Arabern die Bettelschale hinzuhalten − unseren neuen Meistern, fürchte ich. So viel zu unserer gemütlichen Plauderei. Ich würde John niemals ein Geheimnis anvertrauen, obwohl es eigentlich sein Job ist, Geheimnisse zu wahren. Aber wenn ich ehrlich bin, traue ich ihm nicht, Punkt.«
»Ich dachte, Sie wären Investmentbanker«, sagte ich, verdutzt über seine Verachtung gegenüber seinem Kollegen.
»Banker? Ich? Nein, Doktor, ich bin bloß ein bescheidener PR-Mann, der dafür bezahlt wird, die Kerle in ein gutes Licht zu stellen. Ein schmutziger Job, aber irgendjemand muss ihn machen. Wo waren wir? Oh, Harry. Ja, der arme alte Harry, mein Chef und Beschützer. Ohne ihn weiß ich nicht, wie viel Zeit mir noch bei Seligman vergönnt ist. Die neue Garde wird vermutlich nicht begeistert sein über unseren kleinen Ausflug. Ich hatte gehofft, ihn unter Verschluss zu halten, aber dafür stehen die Chancen jetzt schlecht.«
Wir hatten nördlich die Tower Bridge passiert und fuhren jetzt an der Themse vorbei, vor uns Canary Wharf. Felix zeigte durch die Windschutzscheibe darauf.
»Sehen Sie, da vorn? Der zweite Turm von links, ein Drittel nach oben? Da habe ich vor zwanzig Jahren gearbeitet. Wir waren die Einzigen im ganzen Gebäude, so kam es einem jedenfalls vor. Ein trostloser Scheißladen. Das Londoner Geschäft war ein einziges Chaos. New York hat Harry rübergeschickt, um die Briten auf Vordermann zu bringen. Gott, er hat die Bude fast zusammengebrüllt. Für die anderen war es ein Schock, aber zu mir hat er eine gewisse Zuneigung gefasst.«
»Mochten Sie ihn?«
»Seltsamerweise ja. Er ist ein warmblütiges Geschöpf, Harry, kein Reptil wie manche von ihnen. Er hat ein Herz.«
Felix schlug sich mit der Faust auf die Brust, dorthin, wo sich nach Ansicht der meisten Menschen das Herz befindet. Dann, als der Goldfisch auf dem Dach des Old Billingsgate Market vorbeischwamm, zeichnete er mit einem Finger ein Muster auf die Fensterscheibe.
»Wissen Sie, was Harrys Fehler war?«, fragte er. »Er glaubte, er hätte Seligman eigenhändig gerettet − was er mehr oder weniger tatsächlich getan hat. Und dann dachte er, er könnte auch die Wall Street und Amerika retten, ja, er könnte es mit allem aufnehmen. Er achtete nicht mehr auf potenzielle Gefahren, weil er meinte, er wäre unschlagbar. Wohlgemerkt, er war nicht der Einzige, der sich an sich selbst berauschte. Wie sich herausgestellt hat, war keiner von uns so clever, wie wir gedacht hatten.«
Während er sprach, fuhren wir links an einigen blauen Betonblöcken vorbei und einer Sicherheitsschranke am Rand des City Airport. Direkt vor uns parkte vor einem niedrigen Gebäude ein kleiner weißer Jet mit zwei Triebwerken links und rechts vom Heck und großen ovalen Fenstern auf der ganzen Länge des Rumpfs. Der Fahrer hielt neben einem Mann in einer gelben Sicherheitsjacke, der ein Klemmbrett in der Hand hielt. Ich war wieder da, wo ich am Morgen angekommen war, bei Harrys Gulfstream IV.
Harrys Jet erinnerte nur entfernt an ein normales Flugzeug, wirkte wie ein reinrassiges Pferd neben einem Esel. Als wir zur Startbahn rollten und uns hinter einer Turboprop-Maschine einreihten, saß ich in einem Ledersessel, eine Tasse Kaffee in einer mit Kork ausgekleideten Halterung. Überall in der Kabine goldene Beschläge, von den Düsen der Klimaanlage bis hin zu den Kanten der Walnussholzverkleidung. Michelle, die blonde Flugbegleiterin, die auf dem Weg hierher meine einzige Reisebegleitung gewesen war, hatte sich nicht damit aufgehalten, uns die Sicherheitsvorkehrungen zu erklären. Ich hatte instinktiv den Sicherheitsgurt angelegt, doch weder Felix noch die beiden Banker hinten, die ganz in ihre Blackberrys
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