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Die Diagnose: Thriller (German Edition)

Die Diagnose: Thriller (German Edition)

Titel: Die Diagnose: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gapper
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schnell gewachsen war und ein paar Probleme hatte, aber nichts, womit wir nicht klarkämen. Wir würden ein paar Fonds schließen, vielleicht eine Milliarde Kapital zuschießen und hätten ein gesundes Unternehmen. Zudem bräuchten wir keine Prämie zu zahlen, und es gäbe keine Rangeleien darüber, wer das Sagen hätte. Marcus würde den zweiten Platz einnehmen, und dann würden wir sehen, wie die Dinge liefen.«
    »Aber es hat nicht funktioniert?«
    Harry seufzte. Wir waren zu einem Bächlein gekommen, das von einem Teich hinter den Dünen herunterlief und nicht weiterkam. Er zog mit der Fußspitze einen Bogen in den Sand, und der Boden der Rinne füllte sich mit Wasser wie der Graben einer Sandburg.
    »Wir haben den Deal abgeschlossen, doch der Markt ging baden, und es stellte sich heraus, dass Grayridge Anleihen in seinen Büchern hatte, von denen Greene mir nichts erzählt hatte. Hypothekentitel, die alle für sicher hielten. Wir waren als AAA eingestuft, um Himmels willen, so was liebten die Ratingagenturen doch. Wir erlitten Schiffbruch und verloren Milliarden. Ich hatte das Gefühl, runtergezogen zu werden, als würde ich ertrinken. Sie haben keine Ahnung, wie das ist, wenn man mitansehen muss, wie alles, was man aufgebaut hat, den Bach runtergeht.«
    Bei der Erinnerung schauderte ihm, und als ich zu ihm rüberschaute, begriff ich endlich, was ihn ins Episcopal gebracht hatte. Ein Verlust ist ein schwerer Schlag für die Psyche. Wir sind nicht darauf eingerichtet, sofort damit klarzukommen, es erfordert eine Phase des Trauerns. Das Schlimmste ist das Gefühl, hilflos in der Falle zu hocken, weder kämpfen noch fliehen zu können. Jetzt ergab das Ganze einen Sinn – selbst die Waffe. Am Bächlein kehrte Harry um und machte sich auf den Rückweg. Ich folgte ihm und holte ihn nach knapp zehn Metern ein.
    »Was haben Sie gemacht, als Sie dahintergekommen sind?«
    »Wir hatten keine Wahl. Der Anteilspreis war ins Bodenlose gesunken, und wir hatten Probleme, Wertpapierpensionsgeschäfte zu verlängern. Nicht nur wir, die halbe Wall Street steckte in Schwierigkeiten. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Am Ende haben wir an einem Wochenende die Bundesregierung bekniet, uns aus der Klemme zu helfen. Sie erklärte sich einverstanden, aber das Finanzministerium verlangte ein Opfer.«
    Er fuhr sich mit der rechten Hand über den Hals. Dabei schloss er die Augen und schob den Unterkiefer vor, als würde er sich mit einem Messer die Kehle durchschneiden. Er sah aus, als erwartete er die Qualen des Todes.
    »Da haben Sie Ihren Job verloren?«
    »Alles habe ich verloren. Sie haben mich ruiniert.«
    »Und die Verluste? Hat wirklich niemand etwas geahnt?«, hakte ich nach. Ich hatte gedacht, Leute, die an der Wall Street arbeiteten, wären klüger. Menschen wie ich machten dumme Fehler, wenn es um Geld ging, aber Banker doch nicht.
    »Zwei Hedgefonds zogen Gewinn daraus, und Rosenthal kam natürlich auch gut durch. Dafür hat das Finanzministerium gesorgt«, sagte er frostig.
    In diesem Augenblick hatte ich Mitleid mit Harry, denn mir ging auf, was Felix damit gemeint hatte, er habe ein Herz. Ihn umgab eine Aura von Verwirrung und Verlust, als hätte ihm jemand alles gestohlen, was er besaß. Langsam ging er ohne mich den Pfad zu den Stufen hinauf. Ich blieb zurück, um den Blick auf das Haus zu genießen, das jetzt auf der Düne über mir lag. Nora saß in dem Raum, wo wir uns vorhin unterhalten hatten, auf einem Sofa und blätterte in einer Zeitschrift. Weiter hinten sah ich ein Zimmer mit einer Bücherwand und einem Tisch mit einem Computer und zwei Bildschirmen. Das war wohl Harrys Arbeitszimmer, wo Nora ihn mit der Waffe gefunden hatte. Als ich hochkam und den Rasen betrat, saß er wieder in seinem Sessel. Er wirkte müde und niedergeschlagen.
    Ich setzte mich zu ihm. »Ich glaube, es gibt vieles, worüber es sich zu reden lohnt.«
    »Sie meinen eine Analyse?«, fragte er mit einem Hauch Verachtung in der Stimme, entweder für meinen Beruf des Psychiaters oder dafür, dass er so etwas nötig hatte.
    »An diesem Punkt würde ich keine Therapie vorschlagen, eher Gespräche , aber regelmäßig, am Anfang zwei oder drei Termine die Woche.«
    »Das ist okay. Ich habe Zeit. Alles, was ich habe, ist Zeit«, sagte er.
    Ich ging zurück zum Haus. Es war das dritte Mal, dass ich mich mit ihm unterhalten hatte, und das erste Mal, dass ich mich hinterher besser fühlte. Mein Unbehagen darüber, ihn aus dem Krankenhaus entlassen zu

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