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Die Diagnose: Thriller (German Edition)

Die Diagnose: Thriller (German Edition)

Titel: Die Diagnose: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gapper
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so schmal waren, dass ich hinter Harry hergehen musste.
    Er hatte den Strand für sich. In der Ferne, wo die schmale Straße endete, von der Anna abgebogen war, um zum Haus zu fahren, warf eine Frau mit einem Schal um den Kopf ihrem Hund Stöckchen. Ansonsten glitt mein Blick nur über Sand und Wellen, die an den Strand prallten und Gischt aufwarfen. Der Sand nahe der Düne war feinkörnig, und es war schwer, darauf zu gehen, doch unten am Rand des Meeres bildete er eine glatte, feste Oberfläche. Als Harry diesen Bereich erreichte, lief er nach Westen.
    »Erzählen Sie mir mehr über das, was passiert ist«, sagte ich im Gehen.
    Es war mühsam, mit seinen langen Schritten mitzuhalten, doch seine neue Zielstrebigkeit beruhigte mich. Er schwieg sicher zwei- oder dreihundert Meter, und dann grunzte er ein paarmal, als wollte er etwas sagen. Der Nachteil, neben ihm zu gehen, war, dass ich ihm nicht richtig ins Gesicht sehen konnte, um seine Reaktion zu beobachten, doch das Gehen bot auch eine gewisse Distanz − wie die Analysecouch. Das Schweigen dehnte sich aus, bis er irgendwann dort, wo winzige Wellen in den Sand schäumten, stehen blieb und sich dem Meer zuwandte.
    »Es hätte ein toller Deal sein können«, sagte er. »Ein phantastischer Deal. Es war keine sichere Sache, das ist es nie, aber wenn der Markt nicht zusammengebrochen wäre, wäre es gut gegangen. Es gab keine Möglichkeit, es vorher zu wissen. Ich konnte es nicht wissen.«
    Er blickte zum Horizont und schien voller Bitterkeit auf die Stimmen in seinem Kopf zu antworten. Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Dann bückte er sich, um eine Muschel aufzuheben, und kratzte den Sand von der Unterseite, während er weitersprach.
    »Es war vor einem Jahr, schätze ich. Die Dinge liefen phantastisch für Seligman, es war toll. Es gab Gerüchte um den Subprime-Markt, und einige Hedgefonds waren geschlossen worden, doch es kam uns vor, als wäre unsere Zeit gekommen. Wir hatten die kleine Bude zu etwas gemacht. Wissen Sie, was ich mir immer gewünscht habe? Ich wollte so werden wie Rosenthal. Doch das hätten sie niemals zugelassen. Jetzt weiß ich das.«
    Selbst ich wusste, wer Rosenthal & Co. war – die kannte jeder. Es war die einzige Bank an der Wall Street, der die Immobilienkrise nichts hatte anhaben können und die den Crash überstanden hatte, ohne in die Knie zu gehen oder gar blaue Flecken abzukriegen. Alle schienen sie zu bewundern oder neidisch auf sie zu sein oder zu denken, sie hätte irgendeinen unfairen Vorteil gehabt. Ich kannte den Unterschied zwischen der einen und der anderen Bank nicht, aber ich begriff, was Harry angetrieben hatte. So einen Laden gibt es in jedem Bereich – der Ort, an dem alle arbeiten möchten. Episcopal war das Rosenthal der Medizin in New York, das redeten wir uns jedenfalls ein, und die Patienten glaubten es.
    »Ich kannte einen Typen, der in Europa für Rosenthal die Abteilung Außerbörsliches Eigenkapital geleitet hatte. Marcus Greene«, sagte Harry. »Der versteht sein Handwerk. Bei Deals ein sturer Hund, der noch den letzten Cent aus einem rausquetschen konnte, aber ich dachte, er wäre ein anständiger Kerl. Nora war mit Margaret befreundet, seiner Frau. Wir haben uns am Wochenende hier mit ihnen getroffen. Sie haben ein Haus drüben in Sagaponack.
    Greene hat Rosenthal Mitte der Neunzigerjahre verlassen und sein eigenes Unternehmen gegründet. Er nannte es Grayridge, nach einem Hügel in Georgia, wo er als Kind gelebt hatte. Hat er jedenfalls behauptet. Felix ist überzeugt, Greene hat sich das bloß ausgedacht. Er ist noch nie jemandem begegnet, der diesen Ort kennt. Der Zeitpunkt war günstig, fremdkapitalfinanzierte Übernahmen und Hedgefonds erlebten einen Riesenaufschwung. Ein Jahrzehnt später war er Milliardär. Auf seinem fünfzigsten Geburtstag haben die Rolling Stones gespielt. Es war lustig«, fügte er matt hinzu. »Eines Tages ruft er mich an, angeblich, um über CDS-Clearing oder so zu reden. ›Wissen Sie, Harry‹, sagt er, ›es wird Zeit, dass wir uns mal unterhalten. Ich glaube, Seligman und Grayridge würden gut zusammenpassen.‹ Ich hielt es für eine phantastische Idee, es konnte uns wie Rosenthal ganz nach oben bringen, also sagte ich: ›Klar, Marcus, wir sehen uns das mal an.‹ Ich hatte gehört, dass es bei ihm nicht so gut lief. Womöglich steckte er in Schwierigkeiten.«
    »Und was haben Sie gefunden?«
    »Ich sage Ihnen, was ich zu sehen glaubte: ein Unternehmen, das zu

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