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Die Diagnose: Thriller (German Edition)

Die Diagnose: Thriller (German Edition)

Titel: Die Diagnose: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gapper
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sie auf, um sie kurz zu umarmen und zu küssen, bevor sie sich wieder setzten. Zuerst sah ich Harry nicht, doch dann entdeckte ich ihn in der hinteren Ecke, ein Stück abseits von den anderen, wo er allein auf einem Hocker saß und mir mit seelenruhiger Miene entgegenblickte. Ein stämmiger Beamter stand neben ihm, wie sein persönlicher Bodyguard. Ich ging hinüber, um ihn zu begrüßen. Er blieb sitzen, wie auf seinem Rasen zwei Wochen zuvor, schüttelte mir jedoch über die Plexiglasabtrennung hinweg die Hand.
    »Hallo, Doktor. Tut mir leid, das hier«, meinte er und zeigte auf die anderen Insassen. »Hier gibt’s nicht viel Privatsphäre.«
    »Kein Problem, Mr Shapiro. Wie geht es Ihnen?«
    »Ach. Ich beschäftige mich.«
    Ich betrachtete ihn durch die Scheibe. Es war erst das vierte Mal, dass ich ihm begegnete, doch es kam mir vor, als würden wir uns schon seit Monaten kennen. Ich hätte gedacht, wir wären uns nahegekommen, doch er hatte mich ganz offensichtlich getäuscht. Jetzt waren wir auch wieder in einer Institution, doch diesmal trug er einen gelben Overall und keinen blauen Kittel. Seit er vor zehn Tagen verhaftet worden war, hatte er sich auf eine Art verändert, die ich nicht erwartet hatte. Ich war davon ausgegangen, ihn verzweifelt und unglücklich anzutreffen, doch der harte Zug um sein Kinn war verschwunden, seine Augen waren wachsam und seine Haut leicht gerötet. Obwohl er unter dem Verdacht des Mordes in U-Haft saß, sah er besser aus.
    Ich hatte meinen Besuchsantrag eingereicht, sobald er angeklagt worden war. Ein Team von Staranwälten und das Angebot, 20 Millionen Dollar als Kaution zu hinterlegen, hatten nicht ausgereicht, um ihn rauskriegen. Die Strafanstalt lag hinter dem Suffolk County Court, wo die Kapitalverbrechen auf Long Island verhandelt wurden. Sie war ein riesiger Knast für die im kriminellen Fegefeuer, die auf ihren Prozess oder das Urteil einer Jury warteten. Zu meiner Überraschung war meinem Antrag sofort stattgegeben worden, und man hatte mir innerhalb von einer Woche einen Termin gegeben. Harry wollte mich sehen.
    Vielleicht sehnt er sich nach einem vertrauten Gesicht , hatte ich auf der Fahrt gedacht. Seit dem Mord war ein riesiger Medienzirkus ausgebrochen, und sämtliche Zeitungen und Fernsehnachrichten waren voll mit Spekulationen und Meinungen über Harrys Schicksal. Die Tatsache, dass ein Wall-Street-Baron des Mordes angeklagt worden war und nicht wegen Wirtschaftskriminalität, hatte zu dem öffentlichen Spektakel geführt, nach dem es die Menschen aus Rache gegen die ganze Bankenwelt dürstete. Ich hatte das Gefängnis darüber informiert, dass Harry mein Patient war, und er schien es bestätigt zu haben, doch ich glaubte nicht, dass es noch stimmte. Ich wusste, dass er einen Gefängnispsychiater aufgesucht hatte, um seine Medikamente zu bekommen – er brauchte mich nicht.
    Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass wir jetzt verwandte Seelen waren: Er war eingesperrt, und ich hing in der Luft. Der Explosion von Greenes gewaltsamem Tod war eine unheimliche Stille gefolgt. Als ich am Montag ins Episcopal gekommen war, nachdem ich die Leute in der U-Bahn auf der ersten Seite der Post Harrys Geschichte hatte lesen sehen, war es schon zum Tabuthema geworden. Die anderen redeten sicher hinter meinem Rücken darüber, doch niemand wagte es, es mir gegenüber offen anzusprechen. Am ehrlichsten war noch Maisie, die mich mit einem mitfühlenden Blick und einem »Wie geht es Ihnen?« bedachte, das aufrichtig klang.
    Jim Whitehead hatte schließlich deutlich gemacht, was alle anderen dachten, als ich es nach dem Mittagessen nicht mehr aushielt und ihn in seinem Büro aufsuchte.
    »Ben. Wie geht es Ihnen?«, fragte er.
    Wenn Dr. Formalität mich beim Vornamen nannte, stand es schlimm.
    »Es ging mir schon besser«, antwortete ich.
    »Hat Mrs Duncan schon mit Ihnen gesprochen?«
    So wie er das sagte, war klar, dass sie sich über die Angelegenheit unterhalten hatten. Sie würde mir das Urteil des Krankenhauses verkünden.
    »Niemand hat irgendetwas gesagt.«
    »Also«, sagte er und stand auf, um abzufangen, was sonst womöglich ein langes Gespräch werden würde. »Sie wird sich sicher bei Ihnen melden.«
    Damit hatte sich wieder Schweigen über das Episcopal gesenkt, und es war Freitag geworden, ohne dass jemand mir gegenüber ein Wort verloren hatte. Selbst Steven hatte fürs Wochenende keine Partys anzubieten, als ich ihn tatsächlich anrief. Ich war mir selbst überlassen, um

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