Die Diagnose: Thriller (German Edition)
»Ich muss mit Mrs Duncan reden und sehen, was ihr vorschwebt.«
»Natürlich. Ich will bloß nicht, dass noch jemand leidet, das ist alles. Es hat schon viel zu viel Leid gegeben.«
Sie brachte mich zu meinem Wagen, ging am Haus entlang über den Rasen und blieb stehen, als ich einstieg. Sie stand exakt auf derselben Stelle, wo ich vor drei Wochen hinter Anna gestanden und sie beobachtet hatte, wie sie über das Meer blickte.
15
Wenn ich mittwochnachmittags mit meiner Visite fertig war, erwartete mich ein Dreistundenblock Therapien in meinem Büro. Mein letzter Patient war Arthur Logue, ein Patient, der nach einer Reihe von Panikanfällen zu mir gekommen war. Ich kannte sein Leben gut – seine widerborstige Beziehung zu seiner Frau, seine verschiedenen Neurosen. Es war schwierig, seinen steten Erzählstrom von Nichtigkeiten zu unterbrechen, und ich hatte den Versuch so gut wie aufgegeben. In gewisser Weise war er eine Erleichterung im Vergleich zu Patienten in einer akuten Notlage.
Mr Logue ließ die Tür halb offen stehen, als er ging, und während ich mir noch ein paar Notizen über die Sitzung machte, kam Sarah Duncan.
»Kann ich reinkommen?«, fragte sie und sah sich um. »Schön hier.«
Das war übertrieben, aber es war besser als einige andere Arztzimmer auf dem Flur. Ich hatte immerhin zwei Fenster, was mehr war als bei manch anderem Psychiater, und als die Verwaltung einen Komplott geschmiedet hatte, um mich woanders unterzubringen, hatte ich mich schlichtweg geweigert umzuziehen.
Duncan ging zur Wand, an der ein Filmplakat von Fellinis 8 ½ hing – Marcello Mastroianni mit Hut und dicker Brille im Kreis von Claudia Cardinale, Anouk Aimée und Sandra Milo. Es war an der äußersten Grenze dessen, was in einem Arztzimmer erlaubt war, aber ich stellte mich auf den Standpunkt, es sei eine Referenz auf C . G. Jung.
»Mein Mann liebt Fellini«, sagte sie ganz unerwartet. »Wir haben uns neulich Julia und die Geister ausgeliehen.«
»Den kenne ich nicht.«
»Oh, den müssen Sie sich ansehen. Er ist toll«, sagte sie und betrachtete die Bücher in meinem Regal, als hätte sie das Recht, meine Besitztümer in Augenschein zu nehmen. Dann setzte sie sich auf den Patientenstuhl, schlug die Beine übereinander und zog ihren Rock zurecht. Sie wirkte ausgeglichener als bei unserer letzten Begegnung.
»Ich habe mit Nora Shapiro gesprochen, und sie hat gesagt, dass sie sich mit Ihnen unterhalten hat. Ich glaube, sie könnte uns vor einer hässlichen Zwangslage bewahren. Ich habe ihr gesagt, wie dankbar ich ihr bin.«
»Ich bin mir nicht sicher, was dazu notwendig ist«, sagte ich vorsichtig.
»Machen Sie sich keine Sorgen um die Einzelheiten. Die Hauptsache ist doch, dass wir wegen Mr Shapiros Entlassung nicht zur Verantwortung gezogen werden.« Duncan streckte die Arme aus und machte vor Staunen große Augen, wie ein Priester, der von einem Wunder erzählt. »Wäre das nicht eine Riesenerleichterung?«
»Mrs Shapiro scheint sehr großzügig zu sein.« Ich gab mir Mühe, ihre Begeisterung zu teilen. »Aber was ist mit mir?«
Duncan seufzte und sah mich an, als wäre ich ein Kind, das ihre Geduld auf eine harte Probe stellte, dem sie jedoch verzeihen würde.
»Mag sein, dass wir auf dem falschen Fuß losgelegt haben, aber das sollte uns nicht im Wege stehen. Wenn wir das hier überstehen wollen, müssen wir zusammenhalten. Ich habe noch einmal einen Blick in die Krankenakte geworfen, und es gibt bei Ihrer Behandlung von Mr Shapiro ein paar Dinge, die mir Sorgen bereiten. Ich habe sie mit Dr. Whitehead besprochen. Sie haben nicht erwähnt, dass Mr Shapiro eine Waffe dabeihatte. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich die Lage anders eingeschätzt.«
Du auch?, dachte ich. Es war ganz offensichtlich, worüber Jim und Duncan gesprochen hatten, als sie sich getroffen hatten. Sie hatten ihre Ausreden miteinander abgestimmt – dass ich fahrlässig gehandelt hatte, indem ich ihnen nichts von der Waffe erzählt hatte. Dabei spielte es keine Rolle, dass es nicht die Mordwaffe gewesen war. Unter meinen Zorn mischte sich Verachtung für die beiden. Ich verschwieg meinem Anwalt und Pagonis pflichtgetreu die Existenz von Harrys Geliebter, während sie nichts Eiligeres zu tun hatten, als sich abzusichern.
»Egal, der Punkt ist, dass ich mir sicher bin, dass Sie aus diesem Fall etwas lernen können. Ich möchte nicht, dass er Ihre vielversprechende Karriere zu einem frühen Ende bringt. Nora wird sich um die Zivilklage
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