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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Der König Henri plante gerade seinen ersten Feldzug gegen die Waliser. Ich traf nachts auf dem Burghof eine seiner entfernten Verwandten, die mir unerwartete Güte gezeigt hatte. Daher erzählte ich ihr von meinen Träumen, eines Tages ein großer Troubadour zu werden. Aber wie sollte ich denn damals wissen, dass …«
    Er verstummte kurz und senkte seinen blauen Blick. Seine
Hände hoben sich, fielen dann wieder auf das Tuch seiner Beinkleider. Marie überlegte, ob diese Geste der Verlegenheit echt war oder nur Teil seines siegesgewissen Charmes.
    »Also, ich konnte damals nicht wissen, dass aus eben jener jungen Frau eine großartige Dichterin werden sollte, die an der Seite der edlen Aliénor sitzt und deren Palast bewohnt. Ich hoffe, Ihr findet mich nicht lachhaft, Ma Dame, denn im Vergleich zu Euch bin ich ein jämmerlicher Wicht geblieben.«
    Nun also rechnete der schöne Jean mit Widerspruch, wollte gelobt und bewundert werden. Marie war in der Tat zum Lachen zumute.
    »Ich finde die Träume von Menschen niemals lachhaft«, erwidert sie ehrlich. »Doch der Weg eines Künstlers ist voller Dornen. Ich habe die Gunst der Königin nicht durch schmeichelnde Worte oder ein hübsches Gesicht gewonnen. Vielleicht müsst Ihr das alles erst lernen, Sire. Jetzt bin ich erschöpft. Ich wünsche Euch eine gute Nacht.«
    Sie drehte sich auf dem Absatz um und flüchtete in die Sicherheit des Gangs, der zur Treppe führte. Das Herz raste in ihrer Brust wie eine eingesperrte Ratte. Sie war bissig gewesen, unnötig herablassend. Den Grund für dieses Verhalten begriff sie nicht, wollte aber nicht darüber nachdenken.
    In ihrem Gemach leerte Marie noch einen Becher schweren Rotweins, bevor sie auf ihr Bett sank und die Augen schloss.
     
    Für den nächsten Tag hatte Aliénor einen Jagdausflug angekündigt. Marie erhob sich, als die ersten Sonnenstrahlen in ihr Schlafgemach drangen. Sie mochte keine schweren Vorhänge an ihrem Bett, und bei mildem Wetter ließ sie die Fensteröffnungen unabgedeckt, damit sie erlebte, wie der Tag begann. Zwar liebte Marie das Jagen weiterhin nicht besonders,
doch wäre es unangebracht gewesen, Aliénor vor den Kopf zu stoßen, indem sie nicht teilnahm. So verzehrte sie rasch einen kleinen Weizenkuchen, den Hawisa ihr aus der Küche brachte, und leerte einen Becher frischer Milch. Sie musste am Abend zuvor zu viel Wein getrunken haben, denn die Zunge klebte ihr am Gaumen, und ein leichtes Stechen an den Schläfen plagte sie. In der Hoffnung, die frische Luft würde es schnell wieder vertreiben, ließ Marie sich von ihrer Zofe ankleiden, um dann in den Hof des Palastes zu gehen.
    Richard war mit Kampfübungen beschäftigt, und der Seneschall Raoul war unerwartet auf seinen Landsitz Faye la Vineuse gerufen worden, sodass die Jagdgesellschaft ausschließlich aus der Königin, ihren Damen und dem Begleitschutz des Grafen von Salisbury bestehen sollte. Nur Marguerite nahm nicht teil, denn sie hatte sich bereit erklärt, den Prinzessinnen Eleanor und Joanna Gesellschaft zu leisten, die für einen Jagdausflug noch zu jung waren. Gracia und Sybil de Faye hatten sich bereits eingefunden, tuschelten und blickten immer wieder zu den Rittern. Der Graf begleitete die Königin aus dem Palast, und ein Stück hinter ihnen folgte Emma, die angeregt mit Isabelle de Vermandois plauderte. Stallburschen führten die Zelter der Damen heran. Der Graf von Salisbury und zwei seiner Männer hatten allerdings Kettenhemden und Helme angelegt, sodass sie größere, kräftige Streitrösser brauchten, die ihr Gewicht tragen konnten. Hölzerne Gerüste wurden aus einer Lagerhütte herbeigetragen, um ihnen den Aufstieg aufs Pferd zu erleichtern. Marie wusste nicht, was der Grund für diese kriegerische Aufmachung sein mochte, doch waren ihr bereits Gerüchte zu Ohren gekommen, dass die Gegend um Poitiers nicht sicher sei, weil es immer wieder zu Aufständen störrischer Vasallen kam. Im Augenblick gab es jedoch ganz
andere Dinge, die sie beschäftigten. Ebenso wie die Töchter Raouls spähte sie nun zu den Rittern, konnte aber keinen hochgewachsenen Mann mit hellblondem Haar entdecken. Sie hasste sich, weil sie darüber für einen winzigen Moment enttäuscht war. Jean gehörte nicht zu dem Gefolge des Grafen von Salisbury, er spielte auf der Harfe, obwohl er den Ritterschlag erhalten hatte. Tat er dies aus reiner Liebe zur Musik? Sie wusste sehr wenig von ihm. Und nach ihrem unfreundlichen Benehmen am vergangenen Abend würde

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