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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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legte tröstend den Arm um ihre Schultern.
    »In Wahrheit«, hörte sie Emma leise murmeln, »ist es vor allem Aliénor, die wichtig ist. Wen kümmert es schon, was aus zwei Bastarden wie uns wird.« So wie damals während der Jagd in Windsor umklammerten ihre Finger plötzlich Maries Hand.
    Aliénor schlug mit der Handfläche ungeduldig gegen die Reste des Gemäuers.
    »Jetzt steht nur noch einer der Ritter. Sie haben das Pferd unter ihm getötet. Aber er ist verflucht gut. Kommt her und seht! Kennt eine von euch seinen Namen?«
    Marie stand auf und zog eine störrische Emma hinter sich her. Ein junger Mann schlug unerschütterlich mit dem Schwert um sich, forderte die Angreifer höhnisch heraus, sich ihm einzeln zu stellen. Seine Beine waren bereits in Blut getränkt, doch schien der Schmerz ihm rasende Kraft zu verleihen.
    »Das ist ein Neffe des Grafen von Salisbury. Ich glaube er heißt William«, meinte Emma erschöpft.
    Schließlich sank auch William zwischen all die anderen erschlagenen Männerkörper. Marie bekreuzigte sich. Viele
Monate hatte sie in einer Welt der Musik und Poesie gelebt, doch dort unten war die hässliche Wirklichkeit, vor der es kein Entkommen gab.
    Die Angreifer stiegen aus dem Sattel und untersuchten ihre Opfer. William war der Einzige, den sie hochhoben, um ihn wie ein Bündel auf einen Karren zu werfen. Dann standen sie eine Weile vor dem verrammelten Eingangstor und debattierten. Maries Lippen bewegten sich stumm zu den Worten eines Gebets. Wie lange konnte das morsche Holz standhalten? Früher oder später würden die Angreifer sicher merken, dass die hinteren Mauern bereits halb eingestürzt waren. Sie mussten nur ihre Kettenhemden ablegen, um besser klettern zu können.
    Lanzen wurden schwungvoll gegen das Tor gerammt. Marie meinte, das Beben des Gemäuers in ihren Knochen zu spüren. Sybil wimmerte inzwischen lautstark, ohne Aliénors finsteren Blick zu beachten. Emma drängte sich immer enger an Marie. »Gott steh uns bei«, flüsterte Isabelle von Flandern. »Ich werde keinen Mann mehr ansehen außer meinem Gemahl, wenn ich das hier überlebe.«
    »Dieses Gelübde muss Gott dem Herrn gefallen haben«, murmelte Emma plötzlich mit dem gewohnten Spott. Marie folgte ihrem Blick. Weitere Ritter näherten sich am Horizont und ließen Guy de Lusignan und seine Männer so plötzlich verschwinden, wie sie gekommen waren.
    »Endlich ist die Verstärkung da«, meinte Aliénor und seufzte. »Es hat verdammt lange gedauert. Aber dieser, William, er lebt noch. Sonst hätten sie ihn nicht mitgenommen.«
    Mit weichen Knien kämpfte Marie sich wieder die Stufen hinab. Sie staunte, als Aliénor ihr plötzlich die Hand reichte.
    »Du hast nicht die Nerven verloren, das gefiel mir«, meinte
die Königin anerkennend. »Glaub mir, Marie, das war nicht der erste Hinterhalt, in den ich geraten bin.«
    Marie erinnerte sich an das Messer, mit dem die Königin sie vor dem Angreifer gerettet hatte. Zum zweiten Mal verdankte sie Aliénor ihre Freiheit.
     
    Richard stand hinter dem Eingangstor des Palastes. Er lief seiner Mutter entgegen, und als sie vom Pferd gestiegen war, erdrückte er sie fast in seiner Umarmung. Marie staunte, Tränen in den Augen des stolzen, schweigsamen Jungen zu sehen.
    »Ich wäre mitgekommen, um Euch zu helfen, doch niemand sagte mir etwas«, rief er aufgebracht. »Erst als Raoul de Fayes Männer losgeritten waren, erfuhr ich, in welcher Gefahr Ihr schwebt.«
    Aliénor strich ihm sanft das Haar aus dem Gesicht.
    »Das war sicher wegen einer Anweisung des Seneschalls. Wenn ich in Gefahr gerate, musst du auf jeden Fall geschützt werden. Du bist die Zukunft meiner Ländereien, Junge.«
    Dann löste sie sich aus der Umarmung.
    »Bringt die Leichname der gefallenen Ritter in einen kühlen Raum, bis Vorbereitungen für ihre Beisetzung getroffen sind. Für Patrick von Salisbury sollen im Kloster von Saint-Hilaire Messen gelesen werden, schickt einen Boten dorthin und lasst den Abt kommen! Außerdem brauche ich Raoul de Faye, möglichst noch heute«, befahl sie den pflichtbewusst herbeigeeilten Haushofmeister. »Der Wettbewerb der Troubadoure ist vorerst beendet, denn es wäre unpassend, nun Liebeslieder zu spielen. Wir ruhen uns jetzt alle aus und treffen uns dann zu einer Messe in der Kapelle.«
    Ihr Rücken war gerade wie der Pfeiler einer Kathedrale, als sie zu ihren Gemächern schritt. Marie nahm sich ein Beispiel daran, doch sehnte sie sich danach, die schweißnasse
Kleidung

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