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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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versetzte der Waffe einen Tritt, der das Schwert wieder in die Nähe des Ritters beförderte. Er ergriff es und sprang auf, um sich erneut zur Wehr zu setzen. Kurz streifte sie ein dankbarer Blick.
    Da sie keinen unberittenen Zelter mehr entdecken konnte, begann sie zu laufen, packte Gracia de Faye, die ängstlich auf einer Decke kauerte, und zog sie gemeinsam mit Sybil
hinter sich her. Ein paar Knappen kamen mit dem Kettenhemd für den Grafen herbeigeeilt. Marie erreichte die Burgruine, als das Tor bereits geschlossen werden sollte. Schnell schob sie Raoul de Fayes Töchter durch den noch offenen Spalt und schlüpfte schließlich selbst hinein. Drei Knappen schoben Riegel vor.
    Hinter den Mauern war es unglaublich still. Maries Atem rasselte, und ihr war schwindelig. Keuchend lehnte sie sich gegen die Wand.
    »Jemand muss Hilfe holen«, hörte sie Aliénor mit völlig gefasster Stimme zu den drei Knappen sagen, die bei den Damen geblieben waren. »Es gibt sicher eine Möglichkeit, unauffällig aus dieser Ruine zu kommen. Wer von euch ist willens, nach Poitiers zu laufen?«
    Ein rothaariger, sommersprossiger Junge meldete sich. Mithilfe der anderen Knappen gelang es ihm, die hintere, zur Hälfte eingestürzte Mauer zu erklimmen. Dann verschwand er.
    Aliénor lief wie eine eingesperrte Raubkatze unruhig in der Burg auf und ab.
    »Die Treppe im Donjon, dem Hauptturm scheint noch begehbar«, sagte sie zu ihren Damen. »Wir können nach oben steigen und sehen, was geschieht.«
    Ohne auf Zustimmung zu warten, ging sie los. Marie folgte, und auch die anderen schlossen sich an. Die Stufen der Treppe waren zum Teil eingestürzt, manchmal wackelig. Sie stützten sich an den Wänden ab, als sie vorsichtig hochstiegen. Sybil de Faye rutschte einmal aus und wimmerte laut, als ihr Knie gegen die Kante einer Stufe stieß. Aliénor sah sich verärgert um.
    »Zum Wehklagen ist jetzt nicht der richtige Augenblick!«
    Sybil verstummte eingeschüchtert, während Marie und Gracia ihr wieder auf die Beine halfen. Am oberen Ende
des Turms war das Gemäuer völlig verfallen, sodass sie in strahlendem Sonnenlicht standen.
    »Sie können mit Pfeilen nach uns schießen, wenn sie uns sehen!«, rief Gracia de Faye entsetzt, doch die Königin beachtete sie nicht. Emma sank auf den Boden. Mit gesenktem Kopf blieb sie wie eine leblose Statue sitzen. Isabelle von Flandern, die während der Messen meist nach hübschen Rittern spähte und mit ihren Gefährtinnen tuschelte, murmelte nun inbrünstig Gebete. Marie stellte sich an Aliénors Seite, denn unter all diesen verängstigten Frauen schenkte die Nähe der Königin ihr ein Gefühl von Sicherheit.
    Die Angreifer hatten Aliénors Ritter bereits an die Burgmauern gedrängt.
    »Verhaltet Euch wie Männer von Ehre! Gebt mir Zeit, mich zu bewaffnen!«, rief der Graf von Salisbury. Zögernd stieg er von seinem Ross und legte sein Schwert zu Boden. Tatsächlich hielten die Angreifer für einen Moment inne. Ein Knappe hob hoffnungsvoll das Kettenhemd an. Der Graf beugte die Knie, um es sich anlegen zu lassen, als einer der gepanzerten Männer plötzlich losgaloppierte. Seine Lanze drang in den ungeschützten Nacken des Grafen.
    Marie schrie auf. Der ältere, freundliche Mann, der sie nach Poitiers begleitet hatte und stets bemüht gewesen war, seiner Königin gefällig zu sein, fiel blutend zu Boden wie ein geschlachtetes Tier. Eine Weile rührte sich niemand.
    »Gebt auf!«, forderte einer der Angreifer. »Öffnet das Tor. Der Königin wird nichts geschehen, wenn ihr Gemahl uns nur ein wenig entgegenkommt.«
    »Ich habe es mir schon gedacht. Das ist Guy de Lusignan«, murmelte Aliénor. Dann beugte sie sich vor.
    »Fahr zur Hölle, wo die hingehörst!«, schrie sie aus Leibeskräften. Guy de Lusignan antwortete mit schallendem Gelächter. Und der Kampf ging weiter.

    »Sie werden uns alle umbringen«, wimmerte Sybil de Faye im Hintergrund. »Und vorher, da werden sie … Sie werden …« Das Schluchzen erstickte den Rest ihrer Worte. Aliénor fuhr herum.
    »Wenn sie sich ein bisschen vergnügen wollten, könnten sie auch ein paar Bauernmädchen aus dem nächsten Dorf zerren und sich den Kampf mit unseren Rittern sparen«, zischte sie verärgert. »Wir sind zu wichtig. Sie wollen Lösegeld fordern, darum geht es. Im schlimmsten Fall müssen wir ein paar Wochen in einem stickigen Verlies zubringen. Das wäre ungemütlich, aber Klagen hilft nicht.«
    Sybil weinte leise weiter. Marie setzte sich zu ihr und

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