Die Dichterin von Aquitanien
abzustreifen und eine Weile nur still auf dem Bett liegen zu können, bis ihr Herz endlich wieder Ruhe fand. Emma verharrte weiterhin an ihrer Seite.
»Wenn du mich fragst, hält ihre Trauer über den gefallenen Grafen sich in Grenzen«, meinte sie auf dem Weg in die Gemächer. Marie wandte fassungslos den Kopf.
»Patrick von Salisbury war ihr treu ergeben. Er starb, um unser aller Leben zu retten.«
»Er starb, um seine Königin zu retten«, berichtigte Emma. »Als Ritter des Königs sah er das als seine Aufgabe an. Aber er war ein Mann Henris. Sobald sich hier Dinge getan hätten, die nicht im Sinne seines Königs gewesen wären, hätte er sich verpflichtet gefühlt, ihm Bericht zu erstatten. Im Grunde ihres Herzens ist Aliénor den Lusignans vielleicht sogar dankbar, dass sie dieses Problem aus dem Weg räumten.«
Marie blieb empört stehen.
»Was zum Teufel willst du damit sagen?«
Ein spitzes Lächeln erschien auf Emmas schönem Gesicht.
»Du bist sehr gutgläubig, Marie. Meinst du wirklich, Aliénor ist mit ihrem erwählten Erben hierhergekommen, nur um ein paar Troubadoure trällern zu lassen?«
Mit diesen Worten verschwand die junge Tante in ihrem Gemach.
Nach der Messe fand das Abendmahl statt. Raoul de Faye mussten Flügel gewachsen sein, denn er saß wieder an Aliénors Seite. Marie rätselte, ob er sich auch Zeit genommen hatte, um seine verschreckten Töchter zu trösten, doch schien ihr das unwahrscheinlich.
»Ich werde die Lusignans verbannen lassen«, erklärte Richard energisch an alle Versammelten gewandt und schlug mit der Hand auf den Tisch.
»Das kannst du gerne tun, mein Junge«, erwiderte seine
Mutter, während sie sich ein Stück Brot abschnitt. »Aber zunächst müssen wir diesen Ritter freikaufen. Er war ein erstaunlich guter Kämpfer, es wäre schade, ihn zu verlieren. Wir lassen ein paar Tage verstreichen. Vielleicht werden die Lusignans selbst Lösegeld fordern. Andernfalls schicken wir einen Boten.«
»Vielleicht sollten wir den Boten gleich schicken. Der Ritter ist schwer verletzt. Er könnte sterben, wenn er nicht versorgt wird«, warf Richard ein.
»Das ist richtig, wir dürfen nicht zu lange warten. Doch die Lusignans sollen nicht merken, wie sehr wir diese Geisel wollen. Das könnte sie auf dumme Gedanken bringen«, erklärte Aliénor. Richard nahm den Vorschlag seiner Mutter an, so wie er in allen Dingen auf sie hörte.
»Die Lusignans haben schon immer Schwierigkeiten gemacht«, fuhr die Königin fort. »Aber jetzt forderten sie ihre Verbannung geradezu heraus. Was kann das für einen Grund haben?«
Sie biss in ihr Brot und wandte sich erwartungsvoll an Raoul de Faye.
»Nachdem sie an einem Aufstand gegen den König beteiligt waren, ließ er ihre Burg schleifen und ihre Ländereien verwüsten«, erklärte der Seneschall.
»Henri kennt kein Maß, wenn es darum geht, Ungehorsam zu bestrafen«, sagte Alinor darauf. »Wenn er seinen Vasallen alles nimmt, wovon sie leben können, was soll dann aus ihnen werden denn Raubritter?«
Sie nippte an ihrem Weinbecher, ohne zu erwarten, dass jemand etwas entgegnete.
»Sehr wenige Edelmänner dieser Gegend haben mir bisher ihre Aufwartung gemacht, abgesehen von hungernden Troubadouren«, fuhr sie nachdenklich fort. »Ist es möglich, dass ich in meiner Heimat unbeliebt geworden bin?«
Nun sah sie Raoul de Faye direkt in die Augen. Er senkte verlegen den Blick, doch der hartnäckige Blick der Königin zwang ihn zu einer Antwort.
»Die hohen Steuern, die Euer Gemahl fordert, Hoheit. Seine erbarmungslosen Strafen gegen jedes Aufbegehren …«
»Schon gut, ich verstehe«, unterbrach Aliénor und musterte eine Weile nachdenklich die aufgetischten Speisen. Dann straffte sie die Schultern.
»Ich möchte morgen die Namen all jener Vasallen erfahren, die von meinem Gemahl verbannt oder in Armut getrieben wurden. Den Lusignans vermag ich nicht mehr zu vergeben, denn es soll nicht der Eindruck entstehen, sie hätten mich eingeschüchtert. Aber andere harte Urteile werde ich zurücknehmen oder abmildern können.«
Sie legte ihre Hand zärtlich auf Richards Schulter.
»Wir werden ein wenig durch die Gegend fahren, mein Junge. Burgen aufsuchen, deren Bewohner nicht von selbst zu uns kommen wollen. Sie sollen begreifen, dass du kein fremder Herrscher bist, sondern mein Sohn, in dessen Adern das Blut dieser Gegend fließt. Die Menschen des Südens sind leidenschaftlich. Du musst ihre Liebe gewinnen, Richard. Dein Vater hat nur
Weitere Kostenlose Bücher