Die Dichterin von Aquitanien
gewöhnlich. Auch die Königin hatte offenbar dem Wein zugesprochen.
»Henri hat dem Drängen des französischen Königs, meines alten Gemahls Louis, nachgegeben. Er wird sein großes Reich unter seinen Söhnen aufteilen. Richard kann nun ganz offiziell mein Nachfolger werden. Und der junge Henry wird zum König von England gekrönt.«
Marie rieb sich die Stirn.
»Warum tut der König das?«, fragte sie erstaunt.
»Um den Frieden zu wahren. Thomas Becket hat nicht aufgehört, den Papst und den französischen Hof gegen ihn aufzuhetzen. Ich habe Louis zu dieser Forderung geraten. Er ließ sich von mir überzeugen, denn er findet dieses große, geeinte Reich in seiner Nachbarschaft als Dauerzustand beunruhigend. Dafür soll der Nörgler Becket einen Rüffel bekommen, damit er endlich Ruhe gibt. Es entwickelt sich alles hervorragend!«
Marie rückte ein Stück an die Königin heran. Endlich erfuhr sie etwas von den vielen Verhandlungen, die sich heimlich abgespielt hatten.
»Aber der König ist doch noch bei bester Gesundheit. Weshalb sollte er denn auf alle Macht verzichten wollen?«
Aliénor lächelte.
»So plant er es natürlich nicht. Es soll nur eine offizielle Ernennung sein, damit alle Welt weiß, wie es nach seinem Tod weitergeht. Aber sobald meine Söhne erst einmal wissen, was ihnen zusteht, werden sie es so bald wie möglich haben wollen. Da bin ich mir sicher.«
Marie empfand ein leichtes Unbehagen. Trotz der Enttäuschung
mit Jean wusste sie, dass sie niemals ein so erfülltes, angenehmes Leben geführt hatte wie am Hof von Poitiers.
»Ihr wollt doch keinen Krieg gegen Euren Gemahl, Hoheit?«, fragte sie verstört.
Aliénor strich ihr sanft übers Haar.
»Schreibe du deine Lais, denn das kannst du sehr gut. Ich begreife allmählich, was ich alles kann, ganz ohne einen mächtigen Gemahl an meiner Seite.«
Dann wandte sie sich wieder Raoul de Faye zu. Marie stand auf, um Emma und Isabelle zu suchen. Sosehr sie sich auch bemühte, wieder Teil der feiernden Menge zu werden, konnte sie ein klammes Gefühl der Angst nicht abschütteln. Der königliche Bär wäre nicht leicht in die Knie zu zwingen, konnte sich vermutlich in ein sehr böses und sehr zorniges Tier verwandeln, wenn er herausgefordert wurde. Sie wollte ihn weit weg wissen, aber zufrieden.
Schließlich floh sie in die Stille ihres Gemachs, um sich auf der Matratze auszustrecken. Hawisa war fort, lag wohl in den Armen eines Mannes. Marie schämte sich, weil diese Vorstellung sehnsüchtiges Verlangen in ihr aufkommen ließ. Unruhig wälzte sie sich auf dem Bett herum. Sie konnte ihrem Verstand befehlen, die Erinnerung an Jean auszusperren, doch ihr Körper schien sein eigenes Gedächtnis zu haben.
Marie schrieb, während Hawisa eines ihrer Gewänder flickte. Draußen herrschte klirrende Kälte, denn mit dem neuen Jahr hatte der Winter endgültig Einzug gehalten. Sie saßen in der Nähe des Kamins, genossen die Wärme flackernder Flammen. Hawisa hatte Maries Entschluss, Jean nicht mehr sehen zu wollen, nach einigen Protesten hingenommen. Als keine weiteren Briefe folgten, kam dieses Thema zwischen ihnen auch nicht mehr zur Sprache. Nun waren sie beide ganz in ihre Tätigkeit versunken, als die Tür aufflog und Emma erschien.
In einem kobaltblauen Bliaut, der am Ausschnitt mit Saphiren verziert war, tänzelte sie herein, ließ den zart bestickten Schleier hinter sich her schwingen. Aliénor war sehr großzügig, wenn es galt, ihre Damen prächtig auszustatten.
»Es gibt Nachrichten aus Montmirail«, sagte Emma aufgeregt. »Ich weiß es von Isabelle, und die weiß es von ihrem derzeitigen … Na ja, das ist nicht so wichtig.«
Die Gerüchte über Isabelles Liebhaber änderten sich ständig. Daher war es tatsächlich nicht wichtig.
»Und was erzählt der stramme Ritter?«, fragte Hawisa spöttisch.
»Dass unser Richard nun eine Braut hat«, erwiderte Emma sogleich. »Alais, Tochter des französischen Königs. Schwester unserer frommen Marguerite. Und Geoffroy bekommt Constance, die Erbin der Bretagne. Das Reich ist aufgeteilt worden.«
Sie wirbelte herum und griff nach einem Weinbecher.
»Der junge Henry ist nun der zukünftige König. Unser alter Henri bediente ihn sogar bei Tisch, um zu zeigen, wie ernst es ihm damit war. Und da sagte der Thronfolger doch tatsächlich, dass es so passend sei. Der Sohn eines Grafen sollte den Sohn eines Königs bedienen. Ein bisschen hochmütig, der freche Bursche, aber mir gefällt es.«
Marie
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