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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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entdeckte sie Régnier, der einem schwarzen Adler glich. Er hatte sich aufgerichtet und begrüßte beide Damen mit einer leichten Verbeugung. Ein Stück neben ihm saß Jean. Marie begann zu frösteln, denn die blauen Augen hatten sie noch niemals so kalt und gleichgültig angesehen.
    »Was verschafft uns die Ehre dieses unerwarteten Besuchs?«, begann Régnier ohne jeden Spott. Emma trat vor. Sie holte entschlossen Luft, doch schien diese fremde Männerwelt ihren stürmischen Eifer zu schwächen. Ebenso wie Marie hatte sie begriffen, dass sie hier beide fehl am Platz waren.
    »Ich verstehe Euer Verhalten nicht, Sire«, sagte Emma
schließlich so leise, dass sie kaum zu verstehen war. »Könnte ich einen Augenblick allein mit Euch reden?«
    Régnier schüttelte nach kurzem Zögern den Kopf.
    »Das wäre nicht schicklich, Ma Dame. Was es zu sagen gibt, können wir auch vor meinen Freunden besprechen.«
    Emma zuckte zusammen, denn mit einer derartigen Zurückweisung schien sie nicht gerechnet zu haben. Auf einmal wirkte sie nur noch hilflos und verwirrt. Marie setzte nun selbst zum Reden an, denn nun mussten sie sich vor der Lächerlichkeit retten. Ihr Besuch in diesem Raum würde am Hof sicher kein Geheimnis bleiben.
    »Ein Ritter, der einer Dame seine Liebe erklärt, ohne das ernst zu meinen, verhält sich schändlich«, erklärte sie laut an alle Männer gewandt. Gemurmel und Kichern erklang, was ihren Unmut steigerte.
    »Und weitaus verachtenswerter ist es noch, diese Dame für eine Gunst zu schmähen, die sie einem verlogenen Ritter aus reiner Gutherzigkeit gewährte. Das Mindestmaß an Anstand bestände darin zu schweigen. Wer dies nicht beachtet, befleckt nur seine eigene Ehre«, beendete sie ihre Rede und stellte erstaunt fest, dass alle ihr zugehört hatten. Hier und da entdeckte sie ein breites Grinsen, doch schien sie die Aufmerksamkeit der Männer gefesselt zu haben.
    »Ich gebe Euch recht, auch wenn ich es nicht so schön ausdrücken könnte wie die Dichterin der Königin«, meinte Régnier mit einem feinen Lächeln. »Doch was sollen diese Belehrungen?«
    »Es geht um Euer Verhalten, Régnier de Rancon. Ihr und … und einige andere Ritter in diesem Raum haben Gerüchte in Umlauf gesetzt, die den Unmut der Königin weckten. Wir Frauen können uns nicht mit dem Schwert in der Hand gegen üble Nachrede verteidigen. Doch habt Ihr nicht einen Eid geschworen, die Wehrlosen dieser Welt
mit Achtung zu behandeln? Sobald ein junger Mann den Ritterschlag erhalten hat, scheint er sehr schnell zu vergessen, welche Aufgaben damit verbunden sind, will nur noch vermeintliche Größe darin suchen, dass er jene Menschen benutzt und missbraucht, die sich nicht gegen ihn wehren können.«
    Sie staunte selbst über die Heftigkeit in ihrer Stimme. Aber es hatte erstaunlich gutgetan, diese Worte auszusprechen, denn mit einem Mal empfand sie völlige Ruhe. Régnier räusperte sich. Plötzlich waren viele Gesichter erwartungsvoll auf ihn gerichtet, und er wirkte etwas verlegen.
    »Schöne Worte, Ma Dame Marie«, begann er. »Auch wenn eine Dame, die mit dem König verwandt ist und jeden Abend neben der Herrscherin über diesen Palast sitzen darf, mir nicht unbedingt wehrlos scheint.«
    Leises Gelächter erklang, doch es ließ Marie kalt.
    »Aber wovon redet Ihr eigentlich?«, fuhr Régnier fort. »Ich habe nicht schlecht über irgendeine Frau an diesem Hof gesprochen. Ihr klagt mich ohne Beweise an. Tragt Eure erfundenen Geschichten weiter der Königin vor, denn ihr gefallen sie, und so habt Ihr ein schönes Leben. Vielleicht träumt Ihr davon, dass ein Ritter Grund hätte, Eure Tugend zu verleumden, doch an der Wirklichkeit können Eure Sehnsüchte nichts ändern. Ihr habt doch sicher einen Spiegel.«
    Jetzt schwoll das Lachen zu einem Grölen an. Emma wich zurück zur Tür.
    »Lass uns einfach verschwinden«, flüsterte sie. Aber Marie vermochte sich nicht zu rühren. Auf einmal sehnte sie sich nach der Kraft, eines der herumliegenden Schwerter ergreifen zu können und damit auf die Männer loszugehen. Régnier schien ihre hilflose Wut zu merken, denn er setzte zum nächsten Hieb an.
    »Ich will den Wert Eurer Kunst nicht schmähen, denn das
darf ich als Beschützer der Schwachen nicht. Jeder Mensch braucht eine Beschäftigung, und Ihr könnt nicht leben wie andere Frauen, daher müsst Ihr Euch irgendwie ablenken.«
    Marie schnappte nach Luft, wollte Régnier ebenfalls Beleidigungen an den Kopf werfen, doch eine wohlbekannte

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