Die Dichterin von Aquitanien
sagte sie und strich beruhigend über Jeans Arme. »Daher dürften sie sich auch mit Geburtshilfe auskennen. Oder werden mir wenigstens eine Hebamme besorgen können.«
»Ich will nicht wissen, wie sie mit diesen Mädchen umgehen«, knurrte Jean unbeeindruckt.
»Es ist möglich, dass sie nicht eben freundlich zu mir sein werden. Das muss ich überstehen.«
Sie hob hilflos die Hände, zwang sich dann, entschlossen dreinzublicken, obwohl eine neue, noch stärkere Welle der Angst durch ihren ganzen Körper rollte. Am liebsten hätte sie sich an Jean geklammert und ihn angefleht, sie nicht fortzulassen, doch ein solches Verhalten wäre dumm und selbstsüchtig gewesen.
Er begann im Zimmer auf und ab zu laufen wie ein eingesperrtes Tier.
»Das ist dein erstes Kind«, sagte er unterdessen. »Und deine wunderbare Tante erzählt nur von den schrecklichen Schmerzen, die dir bevorstehen.«
»Womit sie vermutlich recht hat«, entgegnete Marie. Jean blieb wie angewurzelt stehen.
»Du brauchst die Hilfe einer Frau, die schon Kinder geboren hat und froh darüber war! Jemand sollte dir Mut machen anstatt Angst. Und auf gar keinen Fall solltest du unter lauter frommen Weibern sitzen, die in dir eine schlimme Sünderin sehen.«
Mit zwei langen Schritten kam er auf Marie zu und nahm sie so entschlossen in die Arme, dass ihr Widerstand erlahmte. Sie schmiegte sich an ihn und wollte bis zu dem Moment der Geburt seine Nähe spüren.
»Ich bringe dich zu meiner Mutter. Das ist die beste Lösung«, hörte sie ihn flüstern.
Marie erstarrte. Ein längst vergangenes Gespräch, das sie damals in Haus von Pierres Eltern mit angehört hatte, stieg in ihrer Erinnerung hoch. Als Schwiegertochter war sie bereits in Huguet nicht willkommen gewesen.
»Was ist, wenn deine Mutter mich nicht mag?«, fragte sie verunsichert. »Ich bin ein uneheliches Kind der Sünde. Ich habe noch niemals einen Haushalt geführt. Alles, was ich kann, ist, meine Lais zu schreiben.«
Jean strich ihr über den Kopf und lächelte.
»Meine Eltern werden sich auf ein Enkelkind freuen. Und du bist gar nicht so schlimm, wie du meinst. Deine Lais schreibst du sehr gut. Meine Mutter mag Geschichten.«
Maries Verkrampfung ließ etwas nach. Die Vorstellung, zu Jeans Familie zu reisen, flößte ihr weniger Furcht ein als ein fremdes Kloster. Sie holte Luft.
»Ich werde mit der Königin reden und um ihre Erlaubnis bitten. Anders geht es nicht.«
Sie brachen im November auf, bevor die ersten Schneefälle drohten. Marie ließ ihre seidenen Bliauts und allen Schmuck, den sie von der Königin erhalten hatte, in Hawisas Obhut. Zum Entsetzen ihrer Zofe zog sie den uralten Kittel an und wickelte sich in eine Wolldecke zum Schutz gegen den bereits recht frischen Wind. Sie hatte um keinen eigenen Wagen gebeten, sondern ließ ihre Bündel auf einen Karren laden, bevor sie vorn Platz nahm. Jean begleitete sie mit Schwert und Schlachtross, doch sonst wünschte Marie keine weitere Eskorte. Jeans Eltern sollten besser nicht gleich erfahren, dass sie eine Hofdame der Königin war, denn sie fürchtete immer noch, bei ihnen auf Ablehnung oder Misstrauen zu stoßen. Robert war als Bote losgeschickt worden, um Jeans Eltern die Rückkehr des Sohnes mit einer Braut anzukündigen. Marie fragte sich, wie diese Nachricht wohl aufgenommen worden war, denn auch Bauern pflegten selbst zu entscheiden, wie ihr Nachwuchs sich vermählte.
Jeans Elternhaus lag noch in Sichtweite der Stadtmauern von Bordeaux. Es war ein weitaus größerer Bau als die hölzernen Hütten von Huguet, eingezäunt und mit einem steinernen Fundament versehen. Jean hatte ihr erklärt, dass bereits sein Urgroßvater sich aus der Leibeigenschaft hatte freikaufen können. Die Erträge des Landes waren gut, und durch geschickte Heiraten hatte seine Familie den Besitz ständig vergrößern können. Trotz der Abgaben, die sie an die Herzogin von Aquitanien entrichteten, blieb von der Ernte noch genug Wein, der zu einem stolzen Preis verkauft werden konnte. Wohlhabende Bauern lebten in Aquitanien besser als so mancher Ritter.
Auf dem großen Hof liefen Knechte und Mägde herum.
Als eine hochgewachsene, schlanke Frau in einem sauberen, fein gewebten Leinenkittel ihnen entgegenkam, blickte Marie in ein Paar strahlend blauer Augen und begriff, wer vor ihr stand.
»Da seid ihr ja endlich. Wir erwarten euch schon seit gestern«, verkündete Jeans Mutter bemüht fröhlich in der provenzalischen Sprache, die Marie mittlerweile
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