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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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nächsten Kirche ein paar Kerzen für sie an«, erklärte der Ritter. »Doch jetzt lass die Dame los, denn sie ist nichts für dich. Ihr Onkel, ein mächtiger, edler Herr, würde sehr zornig werden, falls ihr ein Leid geschieht.«
    Das entstellte Gesicht zuckte kurz und Marie spürte, wie der Griff an ihrem Bein sich zu lockern begann. Schon wollte sie erleichtert weiterreiten, doch zu ihrem Entsetzen krallten die Klauen des fremden Waldbewohners sich nun um die Stäbe von Cleopatras Käfig.
    »Ein hübsches, fettes Vögelchen haben wir da!«, rief er. »Habt doch Erbarmen mit einem armen Mann und überlasst es mir. Ich kann es an durchziehende Händler verkaufen, und falls keine kommen, wird es im nächsten Winter meinen Magen füllen.«
    Maries Bein verselbständigte sich. Ohne weiter nachzudenken, trat sie dem Fremden mit ihrer langen Schuhspitze ins Gesicht.
    »Den Vogel kriegst du nur über meine Leiche. Mach, dass du wegkommst!«, schrie sie aus Leibeskräften und wollte lospreschen, doch nun griffen plötzlich beide Hände des Mannes nach ihrem Bein. Verzweifelt klammerte sie sich an die Mähne ihrer Stute. Erst als das blanke Schwert von Guy de Osteilli aufblitze, hörte das Gerangel auf. Eine scharfe Spitze lag an der Kehle des Bettlers und ließ ein feines, rotes Rinnsal in dessen Kutte fließen.
    »So, jetzt nimm Vernunft an«, meinte der Ritter drohend. »Lass uns in Frieden weiterziehen. Ich weiß nicht, welches Unglück dir widerfahren ist, und habe nicht den Wunsch, dich zu töten.«
    Der Waldbewohner trat ein paar Schritte zurück, und Marie atmete erleichtert auf. Beruhigend strich sie über die Stäbe des Käfigs, in dem Cleopatra laut kreischend herumhüpfte.
    »Ich weiß, wie sehr ich euch Ritter fürchten muss«, zischte der Waldbewohner nun. »Ihr habt mir mein Weib genommen und mein Heim niedergebrannt. Als ich mich deshalb beim Vogt beschwert habe, wurde ich der Lüge bezichtigt, verprügelt und in diese Wildnis gejagt.«
    Er spie aus. Blanker Hass loderte in seinem noch klaren Auge, und Marie spürte, wie sie zu zittern begann.
    »Das ist bedauerlich, aber wir haben damit nichts zu schaffen«, erklärte Guy de Osteilli und trieb sein Pferd voran. Marie folgte diesem Beispiel. Sie wollte nur noch dem Wald entkommen, der von Dämonen bewohnt war wie das Reich Satans.
    In ihrem Rücken hörte sie den Bettler laut schreien. Es widerstrebte ihr, sich umzudrehen. Dann schwankten die Äste über ihnen plötzlich. Zwei Gestalten fielen von ihnen herab wie reife Früchte. Sie landeten auf Guy de Osteillis Pferd, ließen Messer aufblitzen, und ein Getümmel aus männlichen Körpern stürzte zu Boden.
    »Reitet weg, Demoiselle«, hörte sie die Stimme des Ritters. »Flüchtet ins nächste Dorf.«
    Aber sie war wie gelähmt, starrte fassungslos, wie es ihm gelang, eines der Messer zu entwinden und seinem rechten Angreifer in die Brust zu bohren. Mit dem anderen Mann wurde er nicht so schnell fertig. Ihre Leiber wälzten sich ineinandergekrallt auf dem Boden. Marie ließ ihre Stute unauffällig zu einem der Bäume tänzeln und glitt aus dem Sattel, um einen Ast aufzuheben. Im richtigen Moment würde sie zuschlagen, schwor sie sich, auch wenn sie im Vergleich mit diesen Männern ein hilfloses, schwaches Wesen war.
    »Fein, dass du von selbst abgestiegen bist!«, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihr. »Du möchtest gern hierbleiben, nicht wahr?«
    Entsetzt wandte sie den Kopf und sah das entstellte Gesicht
so nahe an dem ihren, dass sie vor Schreck aufschrie. Wie hatte sie jemals so dumm sein können, zu vergessen, dass sich noch ein dritter Mann in der Nähe befand? Schon umschlossen seine Arme ihre Taille. Sie schrie und trat um sich, doch die Umklammerung wurde nur noch stärker. Verzweifelt krallte sie ihre Finger um den Ast. Sie musste den richtigen Moment abwarten, um sich wirksamer zur Wehr setzen zu können. Entschlossen holte sie Luft.
    Doch mit einem Mal ließ der Mann sie los. Guy de Osteilli war es indessen gelungen, seinen Widersacher zu bezwingen und ihm die Hände an die Kehle zu pressen. Die Beine des Mannes zappelten wild, aber er schien unfähig, sich zu befreien. Schon wollte Marie erleichtert aufatmen, doch da hob der dritte Waldbewohner eines der Messer vom Boden auf und stürzte damit auf den Ritter zu.
    »Gebt acht!«, schrie sie aus Leibeskräften. Guy de Osteilli wandte kurz den Kopf, aber er hatte keine Waffe zur Hand, und zudem wäre es fatal gewesen, den anderen Angreifer

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