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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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könnte?«
    Hawisa seufzte. »Ich stamme aus London, Madam. Mein Vater besitzt zwei Kähne, mit denen er die Waren von Händlern transportiert, doch leider reicht dies nicht, um unsere Familie zu ernähren. Deshalb trat ich in die Dienste des Königs. Seitdem sehe ich meine Geschwister kaum, denn wenn ich einmal freibekomme, so sind wir meist weit von London entfernt. Deshalb schleicht Aelwig sich manchmal an den Hof, um mir zu erzählen, wie es meinen Verwandten geht. So auch an diesem Tag. Er lief durch den königlichen Wald, weil dies der kürzeste Weg war. Von der Jagd wusste er leider nichts. Aber er wollte ganz sicher nicht wildern.«
    Die Dringlichkeit des letzten Satzes überraschte Marie, was Hawisa ihr offenbar am Gesicht ablesen konnte, denn sie sprach sogleich weiter.
    »Wilderer werden hart bestraft, Madam. Der König lässt sie blenden oder ihnen eine Hand abhacken. Ihr habt dabei geholfen, Aelwig ein solches Schicksal zu ersparen.«
    Marie lehnte sich verwirrt gegen das Gemäuer.
    »Er kam also heil wieder nach Hause - und seine Verletzungen sind verheilt?«, fragte sie nur. Hawisa nickte.
    »Natürlich. Er ist zäh. Das muss er sein, Madam.«
    Ein Hauch von Bitterkeit schwang in diesen Worten mit. Dann neigte Hawisa zum Abschied den Kopf.
    »Ich muss gehen. Die Königin bekommt Gäste zum Mittagsmahl,
und der Tisch in der großen Halle muss gedeckt sein.«
    Marie unterdrückte den Wunsch, ihre Hand auszustrecken, um Hawisa zurückzuhalten. Dieses Mädchen weckte mehr Neugierde in ihr als alle anderen Frauen, denen sie am Hof begegnet war. Enttäuscht hörte sie Holzschuhe auf dem Steinboden klappern.
    »Wann habt ihr Bediensteten denn frei?«, rief sie Hawisa hinterher.
    Das Mädchen drehte sich kurz um und sagte: »Des Abends, wenn die Ritter und Damen sich schlafen legen. Doch ich bin dann selbst sehr müde.«
    Plötzlich schien es Marie selbstsüchtig und dumm, wegen täglicher Stickerei unter Trübsal zu leiden. Hatte sie so schnell vergessen, wie andere Menschen lebten? Doch tief in ihrem Inneren empfand sie auch ein wenig Neid auf dieses Mädchen, das einen Bruder besaß, der sich ihretwegen allein in Wälder wagte. Ganz gleich, wie hart Hawisas tägliche Existenz auch sein mochte, sie litt vermutlich nicht unter jener Verlorenheit, die Marie seit vielen Wochen plagte, als sei sie durch eine unsichtbare Mauer von anderen Menschen und vom Leben selbst getrennt. Sie wollte dieses Mädchen festhalten, um so den Weg in die wirkliche Welt zurückzufinden.
    »Vielleicht könnten wir uns dennoch einmal sehen und miteinander reden?«, begann sie zaghaft.
    Die Dienerin musterte Marie so ungläubig, dass eine Erklärung notwenig wurde.
    »Vielleicht … vielleicht möchte ich mehr über dieses Land erfahren«, fuhr Marie fort. Dann tauchte eine Idee in ihrem Kopf auf. »Vielleicht könntest du mir die Landessprache beibringen. Das Englische. Ich würde es gern lernen.«
    Hawisa starrte sie nun völlig fassungslos an.

    »Das Englische ist unwichtig, Madam. Am Hofe spricht man die Sprache der Eroberer.«
    »Ich würde es dennoch gern lernen«, beharrte Marie.
    Hawisa fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Wenn Ihr wollt, dann wartet morgen nach dem abendlichen Mahl an dieser Stelle auf mich.«
     
    Die Tage wurden länger, der Schnee schmolz, und Sonnenschein ließ die feuchte Erde trocken werden. Maries Leben änderte sich kaum. Sie verbrachte den Großteil des Tages weiterhin in Gesellschaft der anderen Damen, die ihr allmählich vertraut zu werden begannen. Trotz ihres feindseligen Ausbruchs plauderte Emma immer wieder mit ihr, weihte sie in Hofklatsch ein und erteilte gelegentlich Ratschläge, welche Farben Maries mausiger Erscheinung etwas mehr Glanz verleihen könnten. Rot oder strahlendes Blau schlug sie vor, denn in schlichteren Tönen würde Marie völlig übersehen werden, während sie selbst, wie sie immer wieder betonte, auch in Nonnenkleidung ins Auge stechen könnte. Marie lernte, dies widerspruchslos hinzunehmen. Emma schien sich nach einer Schwester zu sehnen, die sie unter ihre Fittiche nehmen konnte, wie Aliénor es ihrer Meinung nach mit Petronilla tat. Doch wenn die königlichen Schwestern miteinander in einer fremden Sprache plauderten, lag eine spürbare Vertrautheit in der Luft, eine Übereinstimmung von Gesten, gemeinsames Lachen, das für Außenstehende unbegreiflich war. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die hochmütige Emma ihr jemals so nahe sein würde.
    Manchmal zog

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