Die Diener Der Eosi
durfte.
Kris hielt, so gut es ging, durch, obgleich ihr die Tage und Nächte immer länger wurden und sie sich vor Sehnsucht nach Zainal verzehrte. Schließlich fing sie an, während ihres Dienstes alberne Dinge zu tun, wie zum Beispiel Meldungen verfälscht über ihr Handy weiterzugeben. Oder in Tränen auszubrechen, wenn Zane sich nur einen kleinen Kratzer zuzog, und Sarah mußte heftig einschreiten, um ihre hysterischen Anfälle zu beenden.
Am Ende empfahl Dorothy Dwardie ein leichtes Beruhigungsmittel und ließ ihr das Medikament von Leon Dane verabreichen.
Selbst in ihrer Benommenheit, in der sie sich in den langen Wochen befand, bemerkte sie, daß jemand in ihrer Nähe war: Sandy, Sarah, Dorothy und gelegentlich auch Peggy oder Marge. Die Tatsache, daß sich unter ihren Betreuern ehemalige Opfer befanden, amüsierte sie insgeheim: Hier wurde einmal dem Helfer geholfen. Aber sie hatte nicht die Energie, sich entsprechend darüber zu äußern. Dorothys Anwesenheit war ein Trost, zumal Kris in einem wachen Moment erkannte, daß Dorothy offensichtlich ebenfalls litt. Chuck hatte sich des öfteren mit der Psychologin getroffen, aber da Dorothy ein sehr zurückhaltender Mensch war, konnte Kris nicht sicher sein, ob diese Treffen auf Gegenseitigkeit beruhten.
»Ich muß mich entschuldigen, Dorothy«, sagte sie eines Nachmittags, als sie dazu eingeteilt worden war, Dorothy dabei zu helfen, die Waisenkinder zu unterrichten.
»Warum? Sie leisten doch hervorragende Arbeit.«
»Dafür, daß ich meine Gefühle nicht richtig im Griff habe.«
»Ach?« Dorothy lächelte sie freundlich an. »Sie reagieren sehr menschlich, Kris, und dies ist sicherlich eine schwere Zeit für Sie.«
»Für Sie doch auch, nicht wahr?«
»Für mich?«
Kris nahm für einen Moment an, sie hätte die Grenzen des Anstands verletzt, aber dann errötete Dorothy und wandte das Gesicht ab.
»Sie haben das Recht, sich wegen Chuck Sorgen zu machen, Dorothy. Ich tue das auch, wenn ich mal nicht so egoistisch bin und erkenne, daß auch er in Gefahr schwebt.«
Dorothy betrachtete ihre Hände, mit denen sie an einer ausgefransten Naht ihres Overalls herumzupfte. »Es wurde nicht darüber gesprochen … ich meine, ich genieße seine Gesellschaft. Er ist wirklich eine erstaunliche Persönlichkeit. Diese rauhe Schale, und schlecht sieht er auch nicht aus, allerdings ist er als Mann eigentlich gar nicht mein Typ …«
Kris lächelte nachsichtig. »Chuck ist nicht so, wie man auf den ersten Blick meinen könnte.«
»Nein …« Dorothy lächelte wehmütig. »Das ist er nicht. Ja, Dick, was ist?« Ihr Tonfall wurde sofort wieder professionell und neutral, als eins der Kinder zu ihr kam und ihr seine Schiefertafel hinhielt, damit sie mögliche Fehler korrigierte.
Damit war dieser Augenblick der Wahrheit beendet. Schließlich war es Zane, der sie aus ihrem Zustand der Niedergeschlagenheit herausholte. Es verunsicherte ihn sehr, seine Mami weinen zu sehen, wenn er sie fragte, wo Daddy sei. Daher hörte er auf, sie zu fragen, was ihr das Herz noch schwerer machte. Als ihr bewußt wurde, daß er nicht mehr fragte, fing sie an, ihm jeden Abend, wenn sie ihn zu Bett brachte, Geschichten von Zainal zu erzählen. Er hörte diese Geschichten viel lieber als die, die sie ihm gelegentlich vorlas. Sich an ihre ersten gemeinsamen Abenteuer zu erinnern half Kris, sich wieder in den Griff zu bekommen. Außerdem bewirkte es, daß der Mann ihr nicht mehr so sehr fehlte. Die heimliche Beobachtung wurde abgebrochen, und die Leute waren ausnahmslos nett zu ihr, egal zu welcher Arbeit sie eingeteilt war. Nicht zu nett, natürlich, denn sie hätte eine Haltung falschen Mitleids bei Janet oder Anna Bollinger niemals toleriert. Diese beiden müßten insgeheim ihre Situation eigentlich auskosten, da sie ›sich die Suppe selbst eingebrockt hatte. Was gibt sie sich auch mit so einem ab … einem Catteni.‹
So dehnten die Tage sich zu Wochen und die Wochen zu einem Monat und mehr, und Kris gewöhnte sich beinahe an Zainals Abwesenheit, aber sie weigerte sich, zu akzeptieren, daß sie zu einem Dauerzustand wurde. Zainal würde auch diese Operation überleben, wie er schon so vieles überlebt harte – wie zum Beispiel den Flitzerabsturz am ersten Tag, als sie ihn kennengelernt hatte. Sie klammerte sich an diesen Gedanken, weil sie sicher war, daß ihr Unterbewußtsein ihr aufgrund der physischen wie auch emotionalen Innigkeit ihrer Beziehung im Falle seines Todes sicherlich
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