Die Dienerin - Gesamtausgabe
Kopfmensch, durch und durch. Im Grunde waren beide Frauen grundverschieden, und oft fragte sich Selda, warum sie eigentlich befreundet waren. Vermutlich weil mich sich bereits seit der Einschulung kannte, sie kannten sich einfach zu lange, die gemeinsamen Jahre, die Summe der Erlebnisse zusammen hielt sie zusammen, aber Selda wollte es sich nicht eingestehen.
Selda parkte und beide stürzten sich in das erst beste Geschäft. Selda kaufte sich eine teure Jeans und mehrere Röcke. Canan hatte Recht, man merkte Selda die Veränderung an, aber was hatte sich wirklich geändert? Selda an sich oder nur ihre finanzielle Situation?
Nachdem beide einen schönen Batzen Geld ausgegeben hatten (Canan wie immer weniger als Selda, aber immerhin 200,-), setzten sie sich in ein Cafe und aßen Schokotorte.
„So, jetzt mal alles noch mal von Anfang an, hast du jemanden kennengelernt?“
Selda überlegte nur kurz, und antwortete ehrlich:
„Nein, ich habe niemanden kennengelernt, aber ich muss in letzter Zeit immer öfter an Apo denken.“
Selda fand, dass das absolut die Wahrheit war. John war ihr Arbeitgeber, ihr Boss, er war definitiv nicht ihr Freund.
Canan zuckte kurz zusammen, sie hatte wohl überhaupt nicht mit dieser Antwort gerechnet. Apo und Canan waren sich nie grün gewesen, die Antipathie begann praktisch auf den ersten Blick. Selda hatte nie verstanden, wie zwei Menschen sich so unsympathisch seien konnten und sie fühlte sich oft zwischen beiden hin und her gerissen.
„Apo? Wieso denkst du an Apo? Du solltest keinen einzigen Gedanken an diesen Mistkerl verschwenden! Er hat dich verlassen, ohne auch nur einen Grund zu nennen.“
„Ich weiß, aber er fehlt mir. Egal was war, ich war sehr glücklich mit ihm, er war meine Familie.“
Canan atmete tief ein. Bei dem Wort Familie musste sie passen. Sie kannte Seldas Lebensgeschichte nur zu gut. Die Eltern verstarben sehr früh, Selda wuchs bei der Oma auf, bis diese auch verstarb. Nach deren Tod wurde sie dann von Tante zu Onkel hin und her gereicht. Selda hatte nie ein echtes Zuhause, bis sie Apo kennenlernte. Aber auch diese Ehe hielt nur sehr kurz und Selda war wieder allein.
„Du hast ihn doch nicht wieder gesehen oder? Zufällig auf der Straße oder so?“
Nein das hatte sie nicht, aber sie wünschte es sich. Sie wäre viel zu Stolz zu ihm zu fahren, oder ihm nachzustellen, und sie hatte viel zu große Angst, ihn mit einer anderen zu sehen. Sie würde diesen Anblick nicht ertragen können. Mit einem Schlag war Seldas abenteuerlustige Stimmung weg, sie fühlte stattdessen eine Leere in sich, trotz des Geldes, trotz all der materiellen Dinge, die sie sich nun leisten konnte. Selda begriff, das Geld wirklich nicht glücklich machte, aber es tröstete manchmal über unglückliche Momente weg.
Samstag Abend
Eine eisgekühlte Dose Red Bull in der Hand zappte sich Selda durch das Fernsehprogramm. Nichts und wieder nichts. Sie vermisste die Samstagabende ihrer Kindheit, als es die besten Filme zu dieser Zeit gab, heute gab es nur Schrott und Billigfilme, die auch noch ständig wiederholt wurden. Plötzlich brummte ihr Handy. Wer konnte das sein, es war bereits nach 23 Uhr.
LUST AUF FICKEN?
Wer schreibt mir solche Sachen, sie hatte kaum laut zu Ende gedacht, da sah sie den Absender. Es war John. Montag bis Freitag John, ich habe Feierabend! Aber Selda war auch geil, Selda war fast immer geil. Es ging ihr aber auch um das Prinzip, denn geil hin oder her, sie hatte keinen Bock. Sie wollte sich zum 1000ten Mal French Kiss angucken, ihr Enerjigesöff schlürfen und einfach die Beine ausstrecken. Aber es juckte sie in den Fingern, sie wollte John eine gepfefferte SMS schicken.
JA! ABER ICH BIN ZU FAUL, MEINEN ARSCH HOCHZUKRIEGEN VON DER COUCH! STECKE MIR FINGER REIN UND FICKE MICH SELBER!
Das hatte wohl gesessen, weil John nicht antwortete. Selda genoss die Ruhe und lachte über Meg Ryan, sie liebte diesen Film. Apo und sie wollten immer schon in Südfrankreich Urlaub machen, aber es kam nie dazu. Wieder diese Gedanken. Plötzlich brummte ihr Handy wieder. Sie schaute ungläubig auf das Display.
WILLST DU WIRKLICH NICHT FICKEN? WENN JA DANN SCHAU AUS DEM FENSTER.JETZT SOFORT.
Selda raste zum Fenster. Unten vor ihrer Haustür parkte ein dunkelblauer Bentley, es war Johns Auto. Sie kannte das Auto v om Parkplatz, sie sah es jeden Morgen, wenn sie zur Arbeit kam. Wieder brummte ihr Handy.
ICH WARTE HIER GENAU 15 MINUTEN AUF DICH. ALLES FREIWILLIG,
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