Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben
nicht zu sehen. Sie öffnete
den Kleiderschrank. Alles war extrem ordentlich. War das Zufall, oder hatte er
seine Kleider tatsächlich farblich sortiert? Wer war Steiner? Ein
Kontrollfreak? Selbst die Socken waren penibel zusammengefaltet, ebenso wie die
Boxershorts. Caroline schloss den Schrank. So genau wollte sie es wahrlich
nicht wissen.
Viel interessanter war
da die silberne Aluminiumbox, die ihr schon am Vortag im Kofferraum aufgefallen
war. Sie rüttelte daran. Nichts zu hören. Was auch immer sich darin befand, war
mit Schaumstoff gegen Stoßbewegungen abgesichert.
»Sie finden sich
zurecht?«, fragte eine Stimme in ihrem Rücken.
Caroline fuhr entsetzt
herum. Steiner war viel schneller zurück, als sie kalkuliert hatte.
Offensichtlich konnte er sein Tempo noch steigern. Sie hatte ihn und seine
Schwimmfähigkeiten unterschätzt. Und die Lautlosigkeit, mit der er sich nähern
konnte. Wenn er überrascht war, ließ er es sich nicht anmerken. Es kostete ihn
keinerlei Mühe, seinen Ärger zu kontrollieren. Es schien ihm nicht einmal etwas
auszumachen, dass er halb nackt war. Caroline umso mehr. Die Hütte war so
klein, dass Caroline die Kälte spürte, die von seinem Körper ausging. Der See
konnte kaum mehr als 16 Grad Wassertemperatur haben. Steiner rubbelte mit
einem Handtuch seine Haare trocken und warf sich in den Bademantel. Er verhielt
sich so natürlich, als hätten sie bereits 25 Jahre auf dem gemeinsamen Ehekonto.
Caroline stotterte eine
Erklärung: »Kiki hat mich gebeten, nach dem Ofen zu sehen…«
Steiner glaubte keine
einzige Sekunde an die Maskerade: »Ich habe noch nie jemanden so schlecht lügen
sehen«, unterbrach er sie, bevor sie ihre Geschichte ausschmücken konnte.
»Sie kennen sich da
aus? Mit Lügen?«, konterte Caroline.
Steiner ging nicht
darauf ein: »Was interessiert Sie am meisten?«
Er hob ein paar
sichtbar teure Herrenschuhe hoch: »Oxford, Nummer 551. Eigenimport.
Vollkommen unpassend für einen Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern.« Dann zog er
die Nachttischschublade auf und eine Packung Bonbons heraus: »Matlows
Butterscotch. Merke: anglophile Neigungen. Macht einen nicht per se zum
Verbrecher.«
»Ich komme später
wieder«, verabschiedete sich Caroline.
»Verzeihung. Ich
langweile Sie. Das haben Sie natürlich alles schon gesehen. Vielleicht der
Aluminiumkoffer?«
Caroline schwankte. Sie
war beeindruckt von der Souveränität ihres Gegenübers. Steiner hatte etwas
Faszinierendes und Beängstigendes zugleich.
»Von außen sieht er aus
wie ein Waffenkoffer, nicht wahr? Aber als Strafverteidigerin mit 25 Jahren Erfahrung wissen Sie das natürlich.«
Caroline war verblüfft,
wie problemlos er zugab, biografische Details von ihr zu kennen, die sie ihm
nicht offenbart hatte.
»Ihre Freundinnen
halten große Stücke auf Sie«, sagte er, als ahne er, was in ihrem Kopf vorging.
Caroline beschloss,
sich davon nicht beeindrucken zu lassen: »Jetzt, wo ich schon mal hier bin,
könnte ich ja einen Blick in den Koffer werfen«, sagte sie.
Steiner ließ das
Schloss aufschnappen. Woher nahm er diese unfassbare Sicherheit? Hatte er jeden
seiner Schritte im Voraus geplant? War er so gut darin, sich in andere Menschen
hineinzuversetzen, dass ihn nichts überraschen konnte?
Er öffnete den Koffer.
Caroline hatte den Eindruck, sie sei versehentlich in einen James-Bond-Film
hineingeraten. Der Koffer enthielt eine komplette Spionageausrüstung, mit der
man Menschen akustisch und optisch überwachen konnte. Eine ultramoderne Kamera,
imposante Objektive, die Fotos aus großen Abständen möglich machten, ein
Fernglas und eine professionelle Abhörapparatur. Das Einzige, was aus dem
Rahmen fiel, war ein altmodisches Diktiergerät, das noch mit den großen, alten
Kassetten funktionierte.
Selten hatte sie sich
so verunsichert gefühlt. Steiner war selbstbewusst und faszinierend angstfrei.
Vielleicht war er sogar gefährlich. Caroline bezwang die Panik, die in ihr
aufstieg.
»Und? Wen überwachen
Sie damit?«, fragte sie. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme
wackelte.
Statt eine Antwort zu
geben, griff Steiner in seine Jackentasche. »Der Autoschlüssel, falls Sie sich
noch im Wagen umsehen wollen. Aber da ist nichts. Es ist ein Mietwagen.«
Caroline blickte ihm
fest in die Augen: »Fragen Sie sich nicht, warum ich Ihnen hinterherspioniere?«
»Sie sind
Strafverteidigerin«, antwortete er, »Sie sind in einen spektakulären Fall verwickelt,
Sie werden bedroht. Da kann
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