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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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etwas unterliegt
der Schweigepflicht«, monierte Eva.
    Nora hatte auch darauf
eine Antwort parat: »Steiner hat sich bei seinen Recherchen in Frankfurt
mächtige Feinde eingehandelt. Jemand hat das Gutachten der Bank zugespielt, die
Steiner gerade durchleuchtete. Dort ist es intern zigmal weitergereicht worden.
Es gab einfach zu viele, denen Steiner mit seiner akribischen Untersuchung auf
die Nerven gegangen ist.«
    Caroline zuckte
innerlich zusammen. Steiner ein Fall für den Psychiater? Die Einzelheiten, die
Nora aus dem Gutachten zitierte, klangen besorgniserregend. Da war von einer
paranoiden, querulatorischen Anpassungsstörung die Rede, von krankhaftem
Sozialneid, tief wurzelndem Hass auf Besserverdienende und aggressivem
Verhalten. Er hatte die Bankkunden selbst dann noch erbittert gejagt, als die
Untersuchung offiziell beendet war. Der Gutachter vermutete eine gehörige
kriminelle Energie und erpresserische Absichten.
    »Man nannte ihn den
Kampfhund«, erzählte Nora. »Wenn er sich in einen Fall verbissen hatte, konnte
ihn nichts mehr davon abbringen, seine Opfer zu reißen.«
    »Der Werwolf«,
flüsterte Judith.
    Erpressung? Gewalt?
Hass und Neid? Caroline versuchte, die Informationen zu einem stimmigen
Gesamtbild zusammenzusetzen, das sich mit den Erfahrungen, die sie alle mit
Steiner gemacht hatten, in Einklang bringen ließ. War er hinter Estelle her, um
zu überprüfen, wie viel da zu holen war?
    Kiki hegte ähnliche
Vermutungen: »Vielleicht führt er seinen eigenen, ganz privaten Krieg gegen das
Unternehmen Heinemann?«
    »Lebenslang
dienstunfähig«, wiederholte Caroline den abschließenden Befund des Psychiaters.
»Dafür muss man sich ordentlich was zuschulden kommen lassen.«
    Eva war ob dieser
Eröffnungen am Boden zerstört: »Ich dachte wirklich, er interessiert sich für
mich«, gab sie kleinlaut zu.
    »Wir müssen was tun«,
befand Judith.
    Eva griff nach ihrer
Jacke. »Ich suche jetzt Estelle. Irgendwo muss sie ja sein.«
    Sie war entschlossen,
ihren Fehler wiedergutzumachen, als sie plötzlich etwas hörte. Jemand hatte die
Haustür geöffnet. Aufgeregt liefen die Freundinnen in den Gang. Dann die
Enttäuschung. Das war nicht Estelle. Es war Rico. Der Handwerker hatte eine
exzentrische Zeitplanung und kam und ging zu den unmöglichsten Momenten.
Estelle hatte er seit der Fahrradübergabe nicht mehr gesehen, dafür wedelte er
mit einem Zettel.
    »Ich habe hier die
Schadensanalyse. Wenn jemand bei OBI vorbeifahren
könnte, um ein paar Dinge zu besorgen…«
    Weil keiner reagierte,
drückte Rico Kiki die Kostenaufstellung einfach in die Hand. »Rufen Sie mich
an, sobald Sie das Material haben«, sagte er. »Dann haben Sie in einem Tag ein
dichtes Dach.«
    Kiki steckte den Zettel
achtlos weg. Estelle war verschwunden. Was bedeutete da schon ein leckes Dach?

52
    »So funktioniert das
nicht! Wenn ihr wie kopflose Hühner in alle Richtungen lauft, finden wir
Estelle nie«, rief Caroline ihren Freundinnen hinterher. »Wir brauchen einen
Plan.«
    Sie hatten einen Plan.
Jede einen anderen. Die Mischung aus Ärger, gegenseitigen Vorwürfen und Sorge
verhinderte eine koordinierte Aktion. Judith folgte ihrer Intuition, Eva der
asphaltierten Straße, Kiki lief in Richtung Minol-Tankstelle, um dort
Freiwillige für die Suche zu rekrutieren.
    »Eine auffällige
Gestalt wie Estelle geht nicht so leicht verschütt«, war der allgemeine Tenor
im Laden.
    Das halbe Dorf suchte
Estelle. Caroline probierte es mit einem anderen Ansatz. Sie suchte Steiner. Wo
war er hingefahren? Wo konnten sich Estelles und Steiners Wege gekreuzt haben?
Ratlos beugte sie sich über eine Karte des Müritz-Nationalparks. Auf über 300
Quadratkilometern beherbergte der flächenmäßig größte Naturpark Deutschlands
214 verschiedene Vogelarten. Vielleicht hätte sie besser zuhören müssen bei der
ornithologischen Führung. Es gab so viele Beobachtungsposten und tausend
Möglichkeiten, welchen Weg Steiner genommen haben könnte. Sicher war sie nur in
einem: Es musste ein ganz besonderer Vogel sein, der ihn dazu verleitet hatte,
seine Abreise aufzuschieben.
    Caroline klickte sich
durch die merkwürdige Welt der Vogelbeobachter, die ihre Sichtungen
tagesaktuell in diversen Foren veröffentlichten. Da tauschten sich
Gleichgesinnte über das Gesangsrepertoire von Amseln aus, suchten Reisepartner
für ornithologische Wanderungen durch Peru und stritten über die Identifikation
verschiedener Vogelarten, die sie auf verschwommenen Fotos

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