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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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Das Fahrrad
schlingerte, als Estelle das Telefon endlich ans Ohr bekam.
    »Oskar ist vollkommen
aufgelöst bei uns angekommen«, hörte sie eine besorgte Stimme. Es war Caroline.
»Ist alles in Ordnung bei dir?«, fragte sie.
    »Gott sei Dank«,
stöhnte Estelle erleichtert auf. »Ich dachte schon, ich müsste für den Rest
meines Urlaubs mit Oskar Verstecken spielen.«
    »Wir waren gerade bei
Steiner im Zimmer«, brach es übergangslos aus Caroline hervor. »Lauter Artikel
über Arthurs Arbeit. Er scheint sich lebhaft für deine Aktivitäten zu
interessieren… der hat dich im Visier.«
    Eine plötzliche
Vollbremsung setzte der Unterredung ein ebenso abruptes wie schmerzhaftes Ende.
Estelle schoss nach vorne und knallte mit dem Bauch auf die Lenkstange. Das
Telefon schleuderte aus ihrer Hand und landete mit einem Knall auf dem Asphalt.
Sie brauchte einen Moment, bis sie begriff, dass der Knoten im Stoff sich
unbemerkt gelöst hatte. Das viel zu lange Kleid hatte sich in der Kette
verfangen und ihre Fahrt schlagartig abgebremst. Mit Müh und Not gelang es
Estelle, die Balance wiederzuerlangen. Sie konnte gerade noch verhindern, dass
sie fiel. Estelle zerrte und zeterte. Ihr Rucken und Reißen machte alles nur
noch schlimmer. Der Stoff ihres Kleides saß in der Kette fest. Estelle verstand
nichts von Fahrradketten. Sie fluchte. Dieses dämliche Landleben. In Köln hätte
sie tausend Passanten um Hilfe fragen können. Hier war niemand. Estelle legte
nicht den geringsten Wert darauf, ihr Kleid auszuziehen und sich in Unterwäsche
auf den kilometerweiten Heimweg zu machen. Sie hatte heute Morgen bereits einen
brünftigen Stier erschreckt. Das reichte vollkommen für einen Tag.
    Sie angelte nach ihrem
Telefon, was nicht ohne Verrenkungen abging. Das Fahrrad zerrte sie hinter sich
her, als wäre es die Kugel am Bein eines Gefangenen. Mit viel Mühe schaffte sie
es, das Handy aufzuheben. Es war tot.
    Das Geräusch eines
näher kommenden Autos ließ sie neue Hoffnung schöpfen. Endlich. Rettung. Als
der Wagen näher kam, war sie sich nicht so sicher, ob sie sich freuen sollte.
Neben ihr bremste Steiner.
    Neugierig kurbelte er
das Fenster herunter und musterte sie kritisch: »Was machen Sie denn für
Sachen?«
    »Ich trainiere für den
Ironman«, überspielte Estelle ihre Verunsicherung, die sie bei Steiners Anblick
überfiel. »Wenn ich mit dem Radeln fertig bin, durchschwimme ich die tausend
Seen.«
    Steiner interessierte sich
für ihre Aktivitäten? Wieso? Sie durfte sich nicht anmerken lassen, dass sie
Bescheid wusste. Doch da war Steiner schon ausgestiegen und machte sich an
Kette und Kleiderstoff zu schaffen. Bis auch er aufgab.
    »Ziehen Sie einfach das
Kleid aus«, meinte er. »Ich nehme Sie im Wagen mit.«
    »Sonst noch was?«,
entgegnete Estelle.
    Sie wusste nicht, was
ihr mehr Magengrimmen verursachte. Der rote Abdruck der Lenkstange auf ihrem
Bauch, die Vorstellung, einem fremden Mann ihre unelegante Fett-weg-Unterwäsche
zu präsentieren, oder Carolines Anruf. Sie suchte in den Taschen ihres Blazers
nach etwas, was sie zur Verteidigung benutzen könnte. Sie fand nur Snacks für
Oskar. Hundekekse in Knochenform waren vermutlich wenig geeignet, Steiner im
Ernstfall abzulenken.
    »Dann gibt es nur noch
eine Möglichkeit«, befand Steiner und ließ die Heckklappe aufspringen. Als er
sich umdrehte, blitzte in seiner Hand silbern ein Jagdmesser mit imposanter
Klinge. Langsam kam er näher.
    Estelle wurde es beim
Anblick der Schneide ganz anders. Was, wenn Caroline recht hatte und Steiner
nicht so harmlos war, wie er immer vorgab? Was, wenn er wirklich eine geheime
Agenda hatte? Wenn er etwas Unseliges plante, hatte sie keine Chance. Wer ein
Jagdmesser besaß, verfügte vielleicht auch über Klebeband und Fesseln.
    »Ich eigne mich nicht
als Geisel«, platzte es aus ihr heraus. »So jemanden wie mich wollen Sie nicht
entführen. Ich rede ununterbrochen, habe einen miesen Humor und schnarche
nachts.«
    Steiner lachte auf.
»Keine Sorge. Das haben wir gleich.«
    Estelle fragte sich,
was er damit meinte.

51
    Kein Anrufbeantworter,
kein Freizeichen, kein Nichts. Estelles Telefon war tot.
    »Rico hat ihr ein
Fahrrad geliehen, um Oskar zu suchen«, berichtete Kiki. »In der
Minol-Tankstelle ist sie nie angekommen.«
    Sie hatte halb Birkow
durchtelefoniert. Eineinhalb Stunden waren vergangen, und noch immer gab es
kein Lebenszeichen von Estelle, dafür jede Menge Anteilnahme. Erst der Sturm,
jetzt eine Touristin, die spurlos

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