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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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zwei Drittel offenbar in mehr oder minder verzweifelter Lage. Prostituierte strichen um die wenigen zahlungskräftig aussehenden Gäste.
    Mallory trank zwei weitere Whiskys an der Bar neben der Plattform. Der Whisky war billig und schmeckte eigentüm lich, entweder verdorben durch den Gestank oder versetzt mit Hirschhorn oder Pottasche oder Bitterholz. Oder vielleicht mit Schlehensaft, denn das Zeug hatte die Farbe von schlechtem Stout. Das Zeug lag ihm im Magen wie eine heiße Kohle.
    Es wurde kaum getanzt; nur wenige Paare versuchten sich auf der riesigen Tanzfläche im Walzertanzen. Mallory war noch nie ein guter Tänzer gewesen. Er beobachtete die Frauen. Eine ziemlich große, attraktive junge Frau tanzte mit einem älteren, bärtigen Herren. Der Mann war schwer gebaut und sah aus, als hätte er die Gicht in den Knien, aber die Frau hielt sich sehr aufrecht und tanzte mit der Anmut einer Berufstänzerin. Die Messingabsätze ihrer Stiefeletten glänzten im Licht. Das Schwingen ihrer Röcke im Walzertakt verleitete Mallory zu Spekulationen über die Formen darunter. Da gab es keine Auspolsterung oder Fischbein. Sie hatte feine, schlan ke Fesseln in roten Strümpfen, und ihre spitzenbesetzten Rocksäume waren zwei Zoll höher, als die Schicklichkeit es erlaubte.
    Ihr Gesicht konnte er nicht deutlich sehen, da es stets ihrem Partner zugekehrt war.
    Das Panmelodium hob mit einer weiteren Nummer an, aber der massige Herr schien nach dem Walzer etwas außer Atem. Die beiden gingen über die Tanzfläche zu einer ziemlich gemischten Gruppe von Bekannten oder Freunden. Sie bestand aus einer älteren, sittsam aussehenden Frau mit einer Haube, zwei anderen jungen Mädchen, die wie lockere Vögel aussahen, und einem weiteren älteren Herrn, der trübe dreinschaute und seinem Aussehen nach Ausländer war, Holländer vielleicht oder Deutscher. Das Tanzmädchen sprach mit den anderen und warf den Kopf zurück, als ob es lachte. Es hatte schönes brünettes Haar und eine Haube, die unter dem Kinn mit einer Schleife befestigt war und ihr im Nacken hing. Ein feiner, fester weiblicher Rücken, dachte Mallory, und eine schlanke Taille.
    Er ging langsam auf die Gruppe zu. Das Mädchen sprach anscheinend ernsthaft mit dem ausländisch wirkenden Mann, dessen Miene jedoch Zögern und Geringschätzung auszudrücken schien. Nach einer kleinen Weile wandte sie sich mit der Andeutung eines Knickses von ihm ab.
    Zum ersten Mal sah Mallory ihr Gesicht aus der Nähe. Sie hatte ein seltsam langes Kinn, dicke Brauen und einen breiten, beweglichen Mund, der durch grelles Rot einen Zug ins Ordinäre bekam. Es war nicht unbedingt ein hässliches Ge sicht, aber doch entschieden unansehnlich. Allerdings war ein schlauer und unbekümmerter Blick in ihren grauen Augen, der ihm gefiel. Und sie hatte eine gute Figur. Er konnte es sehen, als sie zur Theke ging. Die Linie des Rückens, die prachtvollen Hüften. Sie beugte sich über die Theke, um mit dem Barkeeper zu plaudern, und ihre Röcke hoben sich hinter ihr beinahe bis zur Hälfte ihrer rotbestrumpften Waden: Der Anblick dieser muskulösen Beine elektrisierte ihn.
    Er folgte ihr zur Bar. Sie plauderte nicht mit dem Barkeeper, sondern stritt mit ihm, in einer halb schmerzlichen, nörgelnden fraulichen Art. Sie war durstig und hatte kein Geld und sagte, dass ihre Freunde zahlen würden. Der Barkeeper glaubte ihr nicht, wollte es ihr aber nicht ins Gesicht sagen.
    Mallory legte einen Shilling auf die Theke. »Geben Sie der Dame, was sie wünscht.«
    Sie sah ihn mit ärgerlicher Überraschung an. Dann erholte sie sich vom ersten Schreck und lächelte und musterte ihn durch halb geschlossene Lider. »Du weißt, was ich am liebsten mag, Nicholas«, sagte sie zum Barkeeper.
    Er strich Mallorys Geld ein und brachte ihr ein Glas Champagner. »Ich liebe Champagner«, sagte sie zu Mallory. »Ich kann tanzen wie eine Feder, wenn ich Champagner trinke. Tanzen Sie?«
    »Schrecklich«, sagte Mallory. »Kann ich mit dir nach Hause gehen?«
    Sie sah ihn von oben bis unten an, und ihre Mundwinkel verzogen sich in einem halb skeptischen, halb kokettierenden Lächeln. »Das werde ich Ihnen gleich sagen.« Und sie ging wieder hinüber zu ihren Freunden.
    Mallory wartete nicht, denn er hielt es für eine Abfuhr. Langsam ging er hinaus auf die breite Promenade und hielt Ausschau nach anderen Frauen, aber dann sah er das Mädchen winken und ging zu ihr.
    »Ich denke, ich kann mit Ihnen gehen, aber es könnte Ihnen nicht

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