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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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Persönlichkeiten, die für die Frühgeschichte der Industriellen Radikalen Partei repräsentativ waren, sind in maschineller Rastertechnik auf einem transparenten Film gedruckt worden, der dann auf die Tafel übertragen, glasiert und gebrannt wurde.
    Zu Byrons Linker posiert ein gekrönter Britischer Löwe über dem sich ringelnden Körper einer besiegten Schlange, die höchstwahrscheinlich die Ludditen und ihre Werke verkörpert.
    Während und nach Byrons Aufstieg zur Führung von Partei und Staat wurde bisweilen bemerkt, dass seine im Februar 1812 vor dem Oberhaus gehaltene Antrittsrede Milde für die Ludditen forderte. Byron selbst, der später dazu befragt wurde, soll nach verbreiteter Auffassung geantwortet haben: »Aber es gab damals Ludditen, Sir, und auch danach noch.« Zwar mag diese Bemerkung nicht exakt in dieser Form gefallen sein, doch steht sie im Einklang mit allem, was über die Persönlichkeit des Premierministers bekannt ist, die stets zu vorsichtigem Taktieren neigte, solange die Machtverhältnisse nicht völlig geklärt waren. So steht sie auch nicht im Widerspruch zu der außerordentlichen Härte, mit der er später die in Manchester entstandene volkstümliche, anti-industrielle Bewegung, die von Walter Gerard gegründet und geführt worden war, niederschlug und unterdrückte. Denn dies war eine Form von Maschinenstürmerei, die nicht die alte Ordnung angriff, sondern die neue, von der Radikalen Partei errichtete Ordnung. Darum musste die Bewegung vernichtet werden, bevor sie im ganzen Land eine gefährliche politische Kraft werden konnte.
    Dieser Gegenstand stammt aus dem Nachlass von Inspektor Ebenezer Fraser von der Abteilung für Sonderaufgaben in der Bow Street.
    Mallory war bei Fraser geblieben und hatte den Polizeichirurgen mit Schwamm und Verbandsmaterial am Werk gesehen, bis er sicher war, dass Fraser hinreichend abgelenkt war. Um Frasers Argwohn weiter zu zerstreuen, hatte Mallory um einen Bogen Briefpapier gebeten und sich darangemacht, einen Brief aufzusetzen.
    Nach und nach hatte sich das Polizeirevier Kings Road mit brüllenden betrunkenen Raufbolden und verschiedenen Sorten von Radaubrüdern und Gaunern gefüllt. Es war sehr interessant als gesellschaftliches Phänomen, aber Mallory war nicht in der Stimmung, die Nacht auf einer harten Pritsche in einer Zelle zu verbringen, umgeben von randalierenden, schnarchenden und würgenden Ausnüchterungskandidaten. Er hatte sich etwas anderes vorgenommen.
    Also hatte er einen geplagten und erschöpften Polizeisergeanten höflich nach der Richtung gefragt, alle Angaben sorgfältig in sein Notizbuch geschrieben und dann unauffällig das Polizeirevier verlassen. Es war ihm nicht schwergefallen, Cremorne Gardens zu finden.
    Die Situation hier war ein Hinweis auf die Krisendynamik innerhalb der Stadt. Es war ganz ruhig. Niemand unter den Anwesenden schien sich der Ereignisse jenseits der Cremorne Gardens bewusst zu sein, denn die Schockwellen lokalisierter Auflösung hatten das System noch nicht durchdrungen.
    Und es stank hier nicht so schlimm. Die Gardens lagen in Chelsea, ein gutes Stück flussaufwärts vom schlimmsten Gestank der Themse. Vom Fluss wehte eine schwache Nachtbrise herüber, etwas anrüchig, aber nicht ganz und gar unangenehm, und der Dunst wurde von dem dichten Laub der mächtigen alten Ulmen aufgelöst. Die Sonne war untergegangen, und tausend Gaslaternen blinzelten zum Vergnügen des Publikums.
    Mallory konnte sich den ländlichen Charme der Gärten in glücklicheren Zeiten vorstellen. Es gab Beete mit Geranien, gepflegte Rasenflächen, freundliche, von wildem Wein eingehüllte Lauben und Kioske, Statuen aus Steinguss und natürlich den berühmten Crystal Circle. Und die »große Plattform«, einen großen überdachten und wandlosen Ballsaal, auf dessen riesiger Parkettfläche Tausende gleichzeitig Walzer oder Polka tanzen konnten. Ferner gab es unter dem Dach Stände zum Ausschank von Alkohol, ein Restaurant und ein gewaltiges Panmelodium, zu dessen Aufzug ein Göpelwerk diente und das ein Potpourri von Melodien aus beliebten Opern spielte.
    An diesem Abend waren jedoch nicht Tausende anwesend. Vielleicht dreihundert Leute zirkulierten lustlos, und nicht mehr als hundert von diesen konnten als ehrbar gelten. Diese hundert, so vermutete Mallory, suchten Linderung von der Hitze und dem Gestank der Innenstadt, oder es waren Liebespaare, die alle Unannehmlichkeiten auf sich nahmen, um zusammenzukommen. Von den Übrigen waren

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