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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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gefallen«, sagte sie.
    »Warum nicht?«, erwiderte er. »Du gefällst mir.«
    Sie lachte. »So meine ich es nicht. Ich wohne nicht hier in Brompton; ich wohne in Whitechapel.«
    »Das ist ein weiter Weg.«
    »Die Bahnen fahren nicht. Und eine Droschke ist nicht zu bekommen. Ich fürchtete schon, ich würde im Park schlafen müssen!«
    »Was ist mit deinen Freunden?«, fragte Mallory.
    Die Frau warf den Kopf zurück, als wollte sie sagen, dass es sie nicht kümmere. Ihr schlanker Hals zeigte in der Höhlung der Kehle ein Stückchen Spitze. Sie sah ihm in die Augen und schnurrte vertraulich: »Ich möchte zurück nach Whitechapel. Kannst du mich hinbringen? Ich habe kein Geld, keine zwei Pence.«
    »In Ordnung«, sagte Mallory. Er bot ihr den Arm. »Es ist ein Weg von knapp zwei Stunden – aber deine Beine sind ein Wunder.«
    Sie nahm seinen Ellbogen und lächelte ihm zu. »Wir können am Cremorne Pier einen Flussdampfer nehmen.«
    »Ah«, sagte Mallory. »Die Themse abwärts, wie?«
    »Es ist nicht sehr teuer.« Sie verließen den Tanzboden und gingen in die von blinzelnden Gaslaternen erhellte Dunkelheit. »Du bist nicht aus London, nicht wahr? Ein Reisender?«
    Mallory schüttelte den Kopf.
    »Gibst du mir einen Sovereign, wenn ich mit dir schlafe?«
    Mallory, erstaunt über ihre Offenheit, sagte nichts.
    »Du kannst die ganze Nacht bleiben«, sagte sie. »Ich habe ein sehr hübsches Zimmer.«
    »Ja, das möchte ich.«
    Er strauchelte ein wenig auf dem Kiesweg. Sie stützte ihn, dann begegnete sie seinem Blick. »Du hast ein bisschen Schlagseite, was? Aber du siehst gutmütig aus. Wie heißt du?«
    »Edward. Ned, meistens.«
    »Das ist auch mein Name!«, rief sie. »Harriet Edwards. Mein Bühnenname. Aber meine Freunde nennen mich Hetty.«
    »Du hast die Figur einer Göttin, Hetty. Es wundert mich nicht, dass du auf der Bühne stehst.«
    Sie warf ihm einen kecken, grauäugigen Blick zu. »Du magst unartige Mädchen, Ned? Ich hoffe es, denn heute Abend bin ich in der Stimmung, unartige Dinge zu tun.«
    »Dafür bin ich zu haben«, sagte Mallory. Er nahm sie um die Taille, umfasste mit einer Hand ihren wogenden Busen und küsste ihren Mund. Sie gab einen überraschten kleinen Schrei von sich, dann warf sie ihm die Arme um den Hals. Sie küssten sich lange unter der dunklen Masse einer Ulme. Er fühlte ihre Zunge an seinen Zähnen.
    Sie löste sich von ihm. »Wir müssen nach Hause, Ned. Einverstanden?«
    »Einverstanden«, sagte er, noch schnaufend. »Aber zeig mir deine Beine, jetzt. Bitte.«
    Sie blickte in beiden Richtungen den Weg entlang, dann hob sie ihre Röcke bis zum Knie und ließ sie wieder fallen.
    »Sie sind vollkommen«, sagte er. »Du könntest Malern Modell sitzen.«
    »Ich habe Malern Modell gesessen«, sagte sie, »aber es zahlt sich nicht aus.«
    Ein Flussdampfer tutete bei der Anlegestelle. Sie rannten hinunter und gelangten im letzten Augenblick an Bord. Die Anstrengung des Laufens verstärkte die Wirkung des Whiskys bis zum Schwindelgefühl. Er gab der Frau einen Shilling, um den Fahrpreis zu zahlen, und ließ sich auf eine Bank fallen. Der kleine Dampfer legte ab. »Lass uns in den Salon gehen«, sagte sie. »Da gibt es was zu trinken.«
    »Ich möchte aber London sehen.«
    »Ach, ich glaube nicht, dass dir gefallen wird, was du auf dieser Fahrt siehst.«
    »Doch, wenn du bei mir bleibst«, sagte er.
    »Wie du redest, Ned«, sagte sie und lachte. »Komisch, zuerst dachte ich, du seist ein Polyp, du sahst so ernst und feierlich aus. Aber Polypen reden nicht so, betrunken oder nüchtern.«
    »Du magst keine Komplimente?«
    »Doch, sie sind süß. Aber ich mag auch Champagner.«
    »Gleich«, sagte Mallory. Er war betrunkener, als ihm recht sein konnte. Mit einiger Anstrengung stand er auf, ging zur Reling und umfasste sie fest mit beiden Händen, drückte Gefühl in seine Fingerspitzen. »Verdammt dunkel in der Stadt«, sagte er. »Ja, nicht wahr?«, sagte sie neben ihm. Sie roch nach Schweiß und Teerosen. »Warum ist es so, Ned?«
    »Was?«
    »Warum ist es so dunkel? Ist es dieser Dunst?«
    »Gaslaternen«, sagte er. »Die Regierung hat einen Plan, die Gaslaternen abzuschalten, weil sie Rauch erzeugen.«
    »Klug von ihnen.«
    »Jetzt laufen die Leute in den verdunkelten Straßen herum, schlagen Schaufenster ein und plündern die Auslagen.«
    »Woher weißt du das?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Du bist kein Polyp?«
    »Nein, Hetty.«
    »Ich mag die Schmiere nicht. Die reden immer so, als ob

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