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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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Rahmen genagelt. Ich glaube, es war das Mädchen, das früher hier wohnte, bis letzten Winter … Ein seltsames kleines Ding, mit einem netten Gesicht und feinen Manieren, aber immer in schrecklicher Angst vor ihren Feinden. Ich glaube, sie nagelte die Fenster zu. Schließlich haben sie sie doch erwischt, das arme Geschöpf.«
    »Wieso erwischt?«
    »Sie brachte ihre Männer nie hierher, soviel ich sehen konnte, aber zuletzt kam die Schmiere her und suchte sie. Von der Sonderabteilung, weißt du? Machten mir die Hölle heiß, die Schinder, als ob ich wüsste, was sie machte oder wer ihre Freunde waren. Ich kannte nicht mal ihren richtigen Namen, Sybil Soundso. Sybil Jones.«
    »Und was machte diese Sybil Jones?«
    »In ihrer Jugend hatte sie ein Kind von einem Parlamentsabgeordneten«, plauderte Hetty. »Ein Kerl namens … na, ich weiß nicht, ob du das wissen willst. Sie war eine, die Politiker als Kundschaft hatte und ein bisschen singen konnte. Ich bin eine, die posiert. Connaissez-vous les poses plastiques? «
    »Nein.« Mallory bemerkte ohne Überraschung, dass ein Floh auf seinem bloßen Knie gelandet war. Er fing ihn und zerdrückte ihn blutig zwischen den Daumennägeln.
    »Wir tragen enge, hautfarbene Trikots und posieren, und die Herren gaffen uns an. Mrs. Winterhalter – du hast sie heute Abend in Cremorne Gardens gesehen, sie kommandierte uns herum – ist meine Direktorin, wie man sagt. Aber die Menge war heute Abend furchtbar dünn, und diese schwedischen Diplomaten, mit denen wir waren, haben ihre Geldbeutel zusammengekniffen wie Kükenärsche. Also war es ein Glück für mich, dass du auftauchtest.«
    Es wurde geklopft. Hetty stand auf. » Donnez-moi vier Shilling«, sagte sie. Mallory gab ihr ein paar Münzen, die rasch verschwanden, als sie hinausging. Kurz darauf kehrte sie mit einem schwarz lackierten Tablett zurück, das verbeult und abgestoßen war und einen missgestalteten Brotwecken, ein Stück gekochten Schinken, Senf, vier Knackwürste und eine staubige Karaffe mit warmem Champagner trug.
    Derweil füllte Hetty zwei fleckige Champagnergläser und machte sich ohne viel Federlesens und unnütze Worte über das Abendessen her. Mallory betrachtete ihre runden Arme und Schultern und die Wölbung ihrer schweren Brüste in dem dünnen Hemd und wunderte sich ein wenig über die Un ansehnlichkeit ihres Gesichts. Er trank ein Glas von dem sauren, schlechten Champagner und stopfte hungrig den grünlich schimmernden Schinken in sich hinein.
    Hetty aß die Würstchen auf. Dann rutschte sie mit einem schiefen Lächeln aus dem Bett, hob das Hemd über die Hüften und kauerte nieder. »Dieser Champagner läuft gleich durch, nicht? Ich muss auf den Topf. Schau nicht her, wenn du nicht willst.« Mallory schaute höflich weg und hörte das Prasseln im emaillierten Nachttopf.
    »Waschen wir uns«, sagte sie. »Ich hole eine Schüssel.« Sie kam mit einer emaillierten Schüssel voll stinkendem Londoner Wasser zurück und wusch sich mit einem Luffaschwamm.
    »Deine Figur ist großartig«, sagte Mallory. Ihre Hände und Füße waren klein, aber die gut modellierten runden Waden und die Schenkel dünkten ihn Wunder der Säugetieranatomie, von ihren festen, großen Gesäßbacken ganz zu schweigen. Sie kamen ihm eigentümlich vertraut vor, wie die weißen weiblichen Akte sinnenfroher Barockgemälde.
    Sie lächelte, als sie seinen Blick bemerkte. »Möchtest du mich nackt sehen?«
    »Ja, gern.«
    »Für einen Shilling?«
    »Einverstanden.«
    Sie entledigte sich mit offensichtlicher Erleichterung ihres Hemdes. Schweiß glänzte auf ihrer Haut. Sie wischte sich mit dem triefenden Schwamm die Achselhöhlen. »Ich kann volle fünf Minuten in einer bestimmten Pose stehen, ohne die geringste Bewegung«, sagte sie. Ihre Sprache war ein wenig undeutlich; sie hatte den Champagner fast allein getrunken. »Hast du eine Uhr? Zehn Shillinge, und ich zeige es dir! Wollen wir wetten, dass ich es kann?«
    »Ich glaube dir, dass du es kannst«, sagte Mallory.
    Hetty bückte sich anmutig, umfasste ihren linken Knöchel und hob ihn mit durchgedrückten Knien über den Kopf. Dann drehte sie sich langsam abwechselnd auf Ferse und Zeh im Kreis herum. »Wie findest du das?«
    »Wundervoll«, sagte Mallory beeindruckt.
    »Ich kann beide Hände flach auf den Boden legen«, sagte sie und machte eine Rumpfbeuge vorwärts aus der Hüfte. »Die meisten Mädchen sind so fest geschnürt, dass sie entzweibre chen würden, wenn sie es versuchten.«

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