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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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erloschener Zigarettenstummel die Kommode versengt hatte, schien in Trance, oder vielleicht war sie nur betrunken oder betäubt. Er überlegte, ob er einfach aufhören und ihr sagen sollte, dass es einfach nicht gehe, aber er fand nicht die Worte, die seine Situation zufriedenstellend erklären würden, und so sägte er weiter. Seine Gedanken schweiften ab, zu einer anderen Frau, einer Base von ihm, einem rothaarigen Mädchen, das er einmal mit einem Mann hinter einer Hecke überrascht hatte, als er, Mallory, ein zwölfjähriger Junge gewesen und auf einen Baum geklettert war, um ein Kuckucksei zu erbeuten. Die rothaarige Base hatte den Mann geheiratet und war jetzt vierzig Jahre alt und hatte erwachsene Kinder, eine brave, rundliche kleine Frau mit einer braven Haube, aber Mallory hatte bei jeder Begegnung mit ihr noch immer dieses Bild vor Augen. Jetzt klammerte er sich an das geheime Erinnerungsbild wie ein Galeerensklave an sein Ruder und arbeitete sich hartnäckig zu einer Entladung. Endlich stellte sich jenes fast schmerzhafte Gefühl ein, das ihm sagte, dass nichts die Entladung zurückhalten würde, und er stieß keuchend und mit erneuerter Anstrengung weiter, und der heiße, quälende Erguss ging wie eine Rakete durch sein schmerzendes Rückgrat und explodierte in seinem Hinter kopf, und er stieß ein lautes, tierisches Grunzen aus, das ihn überraschte.
    »Oje«, bemerkte Hetty.
    Mallory fiel von ihr herunter und lag wie ein gestrandeter Wal blasend in der abgestandenen Luft. Seine Muskeln waren wie Gummi und mit der Anstrengung hatte er die letzten Überreste seines Whiskyrauschs ausgeschwitzt. Völlig erschöpft lag er da, bereit zu sterben. Wäre der Geck von der Rennbahn hereingekommen und hätte ihn auf der Stelle erschossen, er würde es irgendwie begrüßt haben, froh über die Aussicht, nie wieder etwas tun und nie wieder Edward Mallory sein zu müssen.
    Aber nach einer kleinen Weile lösten sich die Empfindungen auf, und er war wieder Mallory. Zu betäubt, um irgendwelche tiefer gehenden Gefühle von Schuld oder Bedauern zu spüren, fühlte er sich nichtsdestoweniger bereit zu gehen. Eine unausgesprochene Krise war vorübergegangen, und die Episode hatte ihr Ende gefunden. Er war einfach zu müde, um gleich zu gehen, aber er wusste, dass ihn nichts mehr hielt. Die Schlafkammer der Hure erschien ihm nicht mehr als eine Art Zuflucht. Die Wände schienen unwirklich, bloße mathematische Abstraktionen, Grenzen, die ihn nicht mehr zurückhalten konnten.
    »Lass uns ein bisschen schlafen«, sagte Hetty mit lallender Stimme. Sie schien halb betäubt vom Alkohol.
    »In Ordnung.« Er legte die Zündholzschachtel in bequeme Reichweite, löschte die Lampe und lag in der heißen Londoner Dunkelheit wie ein schwebendes, körperloses Wesen. Er ruhte mit offenen Augen, während ein Floh sich unbemerkt von ihm an seinem Knöchel labte. Er schlief nicht im eigentlichen Sinn, sondern ruhte unbestimmte Zeit in einem Dämmerzustand. Als er daraus erwachte und seine Gedanken sich im Kreis zu bewegen begannen, zündete er eine von Hettys Zigaretten an, ein angenehmes Ritual, doch ohne viel Sinn, da er den Rauch nur paffen konnte. Später stand er auf und benutzte den Nachttopf, den er im Dunkeln ertastete. Bier war auf dem Boden vergossen, oder vielleicht war es etwas anderes. Er hätte sich gern die Füße gewischt, konnte sich aber nicht besinnen, wo die Wasserschüssel stand.
    Dann wartete er, auf dass sich in Hettys kahler und schmutziger Schlafkammer etwas wie Morgengrauen zeige, aber das Fenster ging auf eine nahe, düstere Hauswand hinaus. Schließlich kam ein matter Widerschein, weit entfernt von natürlichem Tageslicht. Er fühlte sich ausgeruht, aber von Durst gequält, und sein Kopf schien mit Watte ausgestopft. Es war nicht allzu schlimm, solange er plötzliche Bewegungen vermied, aber ein dumpfes Pochen kündete von bevorstehenden Unannehmlichkeiten.
    Er zündete die Lampe an, fand sein Hemd. Hetty erwachte stöhnend und starrte ihn an, das Haar wirr und verschwitzt, die Augen verquollen. »Du gehst nicht«, sagte sie.
    »Doch.«
    »Warum? Es ist noch so dunkel.«
    »Ich bin Frühaufsteher.« Er machte eine Pause. »Eine alte Gewohnheit.«
    Hetty schüttelte sich und schnaubte. »Sei nicht albern und komm zurück ins Bett, mein braver Soldat. Bleib noch ein bisschen. Wir werden uns waschen und frühstücken. Du kannst ein gutes großes Frühstück kommen lassen.«
    »Lieber nicht. Ich muss gehen. Ich habe

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