Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
zu tun.«
»Wie spät?« Sie gähnte. »Noch nicht mal Sonnenaufgang.«
»Es ist spät, ganz sicher.«
»Was sagt Big Ben?«
»Ich habe Big Ben die ganze Nacht nicht gehört«, sagte Mallory, und die Erkenntnis überraschte ihn. »Wahrscheinlich hat die Regierung das Uhrwerk abgestellt.«
Diese Spekulation schien Hetty vage zu beunruhigen. »Dann lassen wir ein französisches Frühstück heraufschicken«, schlug sie vor. »Blätterteiggebäck, eine Kanne Kaffee. Das ist billig.«
Er schüttelte den Kopf.
Hetty musterte ihn mit verkatertem Blick. Offenbar hatte sie nicht mit seiner Weigerung gerechnet. Sie setzte sich im Bett aufrecht hin, sodass die Federn quietschten, und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Geh nicht hinaus, das Wetter ist schrecklich. Wenn du nicht schlafen kannst, Liebster, lass uns noch mal ficken.«
»Ich glaube nicht, dass ich kann.«
»Ich weiß, dass du mich magst, Neddie.« Sie hob das schweißfeuchte Laken. »Komm und befühl mich, das wird ihn zum Stehen bringen.« Sie lag da und wartete, das Laken in die Höhe haltend. Mallory, der sie nicht enttäuschen wollte, kam zu ihr, streichelte ihre Hüften und befühlte die üppige Glätte ihrer Brüste: Die Berührung blieb nicht ohne eine gewisse Reaktion, aber sie reichte nicht aus. »Ich muss wirklich gehen«, sagte er.
»Wenn du noch ein wenig wartest, wird es schon gehen.«
»Ich kann nicht länger bleiben.«
»Wirst du denn wiederkommen? Wann werden wir uns sehen?«
»Bald.«
Sie seufzte, wusste, dass er log. »Dann geh, wenn du musst. Aber hör zu, Neddie, ich weiß, dass du mich magst. Und ich erinnere mich an deinen richtigen Namen nicht genau, aber ich weiß, dass ich dein Bild in der Zeitung gesehen habe. Du bist ein berühmter Gelehrter, und du hast Kohle. Habe ich recht?« Mallory sagte nichts.
»Ein Mann wie du kann mit der falschen Art von Mädchen in schlimme Schwierigkeiten kommen, hier in London. Aber mit Hetty Edwards bist du sicher, denn ich gehe nur mit Herren aus und bin sehr diskret.«
»Das glaube ich dir gern«, sagte Mallory, während er sich hastig ankleidete.
»Dienstags und donnerstags tanze ich im Theater am Haymarket. Wirst du kommen und mich sehen?«
»Wenn ich in London bin.«
Er verließ sie und tastete sich aus der Wohnung. Auf seinem eiligen Rückzug zur Treppe stieß er sich das Schienbein am Pedal eines angeketteten Fahrrads blutig.
Der Himmel hatte keine Ähnlichkeit mit allem, was Mallory je gesehen hatte, und doch war es ein Wiedererkennen. Er hatte mit seinem inneren Auge einen solchen Himmel gesehen, eine niedrige Kuppel, randvoll mit explosivem Schmutz, mit verhüllendem Staub – einen Himmel, welcher der Vorbote der Katastrophe war.
Im Zwielicht der aufgegangenen Sonne schätzte er die Zeit auf ungefähr acht Uhr. Der Morgen war gekommen, hatte aber keinen Tag gebracht. Die Dinosaurier mussten diesen selben Himmel gesehen haben, dachte er, nach dem erderschütternden Einschlag des Großen Kometen. Für die Herden der schuppigen Ungeheuer, ständig auf der Wanderung durch die üppigen Dschungel, immerfort angetrieben von mächtigem Hunger in ihren riesigen, fermentierenden Bäuchen, war dies der Himmel des Weltuntergangs gewesen. Stürme von unvorstellbarer Gewalt hatten die Erde der Kreidezeit verwüstet, ungeheure Flächenbrände die Wälder verheert, erstickender Staub die Atmosphäre erfüllt, um im Niedersinken das welkende Laub abzutöten. Bis die mächtigen Dinosaurier, angepasst an eine nun zerschmetterte Welt, in Massen zugrunde gegangen waren, und die Mechanismen der Evolution die schwer getroffene Erde aus dem Chaos mit seltsamen, neuen Ordnungen des Lebens wieder bevölkert hatten.
Solche Gedanken im Kopf, ging er hustend die Flower and Dean Street hinunter. Er konnte nicht viel weiter als dreißig Schritte sehen, denn ein tief hängender gelber Nebel, der mit beißendem Säuregeruch in den Augen brannte, hatte sich bis auf das Straßenpflaster niedergesenkt.
Mehr durch Glück als durch sonst etwas gelangte er auf die Commercial Street, sonst eine der belebtesten Hauptstraßen von Whitechapel. Jetzt lag sie verlassen da, die glatte Teerdecke übersät mit Splittern von Schaufensterglas.
Er ging einen Block, dann noch einen. Kaum ein Schaufenster war unversehrt. Pflastersteine, in Seitenstraßen ausgegraben, waren links und rechts wie ein Meteoritenschauer in die Geschäfte geschleudert worden. Etwas wie ein Wirbelwind war über ein Kolonialwarengeschäft
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