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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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in ruhigem Ton.
    »Ein Strolch, Sir!«, erklärte der Kutscher. »Ein Zuchthäusler und Raufbold, den Hühnerbein auf uns hetzte!«
    »Was, ganz allein?«, sagte der gedrungene Mann mit forschend hochgezogenen Brauen. »Das kommt mir nicht ganz richtig vor.« Er musterte Mallory von oben bis unten. »Wissen Sie, wer ich bin, junger Mann?«
    »Nein«, sagte Mallory. »Wer sind Sie?«
    »Ich bin der Herr, den sie den König der Plakatkleber nennen, guter Mann! Wenn Sie das nicht wissen, müssen Sie in diesem Geschäft mächtig grün sein!«
    »Ich bin nicht in Ihrem Geschäft. Ich, Sir, bin Dr. Edward Mallory.«
    Der stämmige Mann verschränkte die Arme vor der Brust und schaukelte ein bisschen auf seinen Stiefelabsätzen. »Und?«
    »Sie haben gerade ein Plakat angeschlagen, das mich in niederträchtiger Weise verunglimpft!«
    »Ach so«, sagte der König. »Das also macht Ihnen Bauch schmerzen.« Er grinste in offensichtlicher Erleichterung. »Nun, das hat nichts mit mir zu tun, Dr. Edward Mallory. Ich klebe sie bloß an; ich drucke sie nicht. Ich bin für den Inhalt nicht verantwortlich.«
    »Nun, Sie werden keines von diesen verdammten Verleum dungsblättern mehr ankleben!«, rief Mallory. »Ich will alle, die noch übrig sind, und ich verlange zu wissen, wo Sie sie erworben haben!«
    Der König beschwichtigte seine aufbegehrenden Männer mit einer gebieterischen Handbewegung. »Ich bin ein sehr beschäftigter Mann, Dr. Mallory. Wenn Sie in meinen Wagen steigen und wie ein vernünftiger Mann mit mir sprechen wollen, dann werde ich vielleicht auf Sie hören, aber ich habe keine Zeit für Prahlerei oder Drohungen.«
    Er fixierte Mallory mit einem scharfen Blick seiner kleinen blauen Augen.
    Mallory öffnete den Mund zu einer Erwiderung, schloss ihn aber sofort wieder. Obwohl er sich im Recht wusste, hatte die ruhige Entgegnung des Königs die Luft aus seiner Empörung gelassen; auf einmal kam er sich ziemlich töricht vor und irgendwie unglücklich. »Gewiss«, murmelte er. »Sehr gut.«
    »Recht so. Tom, Jemmy, wir machen weiter.« Der König kletterte behände in seinen Wagen.
    Mallory folgte ihm nach kurzem Zögern und zog sich in den kastenförmigen Aufbau des Fuhrwerks. Im Inneren gab es keine Sitze; der Boden war von einer Wand bis zur anderen mit dicken braunen Lederpolstern ausgelegt, abgenäht und geknöpft wie eine türkische Ottomane. Schräg angebrachte Fächer aus lackiertem Holz säumten die Wände; in ihnen steckten die fest zusammengerollten Plakate und Handzettel. Eine große Klappe oder Falltür in der Decke stand offen und ließ das trübe Tageslicht ein. Es stank schauderhaft nach Kleister und billigem schwarzen Feinschnitt.
    Der König machte es sich bequem, lehnte sich an ein dickes, mit Quasten besetztes Kissen. Das Maultier protestierte mit misstönendem Geschrei gegen den Peitschenknall des Kutschers, doch dann kam das Fuhrwerk träge schaukelnd und quietschend in Fahrt. Der König öffnete einen Wandschrank. »Gin und Wasser?«
    »Einfaches Wasser, wenn ich bitten darf«, sagte Mallory.
    »Reines Wasser.« Der König füllte einen Zinnbecher aus einem groben Tonkrug. Mallory zog seinen provisorischen Atemschutz von Mund und Nase und trank begierig.
    Der König füllte ihm den Becher ein zweites und dann ein drittes Mal. »Vielleicht einen Spritzer Zitronensaft hinein?« Der König zwinkerte. »Ich hoffe, Sie kennen Ihre Grenzen.«
    Mallory räusperte seine schleimige Kehle. »Sehr anständig von Ihnen.« Ohne die Maske fühlte sein Gesicht sich seltsam nackt an, und diese Schaustellung von gesitteten Umgangsformen im Wagen des Königs, zusammen mit dem Geruch nach Kleister und Pfeifentabak, der beinahe noch schlimmer als die Themse war, machte ihn benommen. »Es tut mir leid, wenn ich … äh … vorhin ein bisschen heftig war.«
    »Nun ja, es sind die Jungs, wissen Sie«, sagte der König mit großmütigem Takt. »Im Plakatklebergewerbe muss einer bereit sein, mit den Fäusten umzugehen. Erst gestern hatten meine Jungs wegen eines Streits um Klebeflächen auf dem Trafalgar Square einen Strauß mit dem alten Hühnerbein und seinen Burschen auszufechten.« Der König rümpfte geringschätzig die Nase.
    »Ich hatte während dieses Notstandes selbst einigen Verdruss«, sagte Mallory mit heiserer Stimme, »aber im Grunde bin ich ein vernünftiger Mann, Sir. Sehr rational – keiner, der Streit sucht; das müssen Sie nicht denken.«
    Der König nickte weise. »Es wäre das erste Mal, dass

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