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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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und ein drittes.
    Diesmal waren es Veranstaltungshinweise. Ein Dr. Benet aus Paris sollte einen Vortrag über den therapeutischen Wert aquatischen Schlafes halten; eine obskure Gesellschaft zur Bildungsförderung veranstaltete ein Symposion über »Die Sozialphilosophie des Dr. Coleridge«; und ein Wissenschaftlicher Vortrag mit Kinotropie sollte von Dr. Edward MALLORY gehalten werden …
    Mallory grinste hinter seiner Maske. Edward MALLORY ! Er musste zugeben, dass sein Name sich in der Achtzig-Punkt-Maschinenfraktur sehr gut ausnahm. Es war ein Jammer, dass der Vortrag nicht zustande kam, aber Huxley oder einer seiner Mitarbeiter hatten den Auftrag zum Druck der Plakate prompt erteilt, und eine Absage war nicht erfolgt.
    Ein Jammer, dachte Mallory, als er dem davonrollenden Plakatkleberfuhrwerk mit einer ganz neuen Empfindung von liebevollem Besitzerstolz nachblickte. Edward MALLORY . Er hätte das Plakat gern als Andenken aufbewahrt und dachte daran, es loszulösen, aber der schnell trocknende Kleister brachte ihn davon ab.
    Aber er nahm sich das Plakat genauer vor, um den Text seinem Gedächtnis einzuprägen. Und bei genauerem Hinsehen erwies sich der Druck als keineswegs so sauber, wie er hätte sein können, denn die schwarze Beschriftung wies da und dort schmutzige rote Ränder auf, als ob die Druckmaschine vorher mit roter Farbe gelaufen und nicht ordentlich gereinigt worden wäre.
    »Das Museum für Praktische Geologie in der Jermyn Street gibt sich die Ehre, das Londoner Publikum mit Dr. Edward MALLORY bekannt zu machen. Dr. Mallory wird im Rahmen zweier Vorträge die aufregende Geschichte seiner Entdeckung des berühmten LAND-LEVIATHANS im wilden Wyoming erzählen; des Weiteren seine Erkenntnisse über Lebensbedingungen und Lebensgewohnheiten dieses vorzeitlichen Ungeheuers; von seinen Begegnungen mit den wilden Chey enne-Indianern. Schließlich wird er die erschreckende und GRÄSSLICHE MORDTAT an seinem Rivalen Prof. Rudwick behandeln; er wird sodann über die Geheimnisse des Glücksspiels und der Wettleidenschaft sprechen, insbesondere über die Praxis der Tierkämpfe mit Ratten und Hunden, gefolgt von wissenswerten Hinweisen auf die TECHNIK DES RICHTIGEN WETTEINSATZES . Den Abschluss bildet ein TANZ DER SIEBEN SCHLEIER , eine Darbietung von unvergesslicher Köstlichkeit, ausgeführt von den mehreren Misses Mallory, die damit pantomimische Einführungen in die KUNST DER LIEBE verbinden. Zutritt nur für Herren. Preis 2/6. Vortrag und Schau werden begleitet von der fortgeschrittenen Kinotropie des Mr. KEETS .«
    Mallory knirschte mit den Zähnen und eilte dem Fuhrwerk nach, das im Schritttempo dahinrollte. Schwer atmend erreichte er es und ergriff mit beiden Händen das Zaumzeug des Maultiers. Es blieb schnaubend stehen und warf den Kopf auf, dessen vordere Hälfte in einem zur Atemmaske umfunktionierten Futterbeutel steckte.
    Der Kutscher blökte hinter seinem rußigen Halstuch. Er sprang von seinem hölzernen Sitz, landete schwankend auf den Beinen und fuchtelte mit einem Knüppel aus hartem Hickoryholz. »He! Weg da!«, rief er. »Lass diesen Unsinn, Freundchen, und zieh Leine …« Seine Stimme verlor sich, als er Mallorys Revolvergriff aus dem Hosenbund ragen sah. In einem halbherzigen Versuch, ihm zu drohen, schlug er mit dem Knüppel auf seine schwielige Handfläche.
    Der Plakatkleber kam von rückwärts herbeigeeilt, um seinem Freund Beistand zu leisten. Er schwang den langen Besenstiel seiner Ankleberolle wie eine Mistgabel.
    »Gehen Sie aus dem Weg, Mister«, sagte er. »Wir haben Ihnen nichts getan.«
    »Und ob Sie das haben!«, schnauzte Mallory. »Woher habt ihr Halunken diese Plakate? Sagt es mir sofort!«
    Der Plakatkleber schüttelte die kleisterbeschmierte Rolle an seinem Besenstiel trotzig vor Mallorys Gesicht. »London ist heute weit offen! Wenn Sie darüber streiten wollen, wo wir unsere Plakate ankleben, dann wollen wir doch mal sehen, ob Sie es mit uns aufnehmen können?!«
    Eine der großen Reklametafeln an der Seite des Fuhrwerks klappte plötzlich auf quietschenden Messingscharnieren nach vorn. Eine Wagentür, wie sich zeigte, aus der ein breitschultriger kleiner Mann mit Stirnglatze stieg. Er trug einen feinen roten Jagdrock und karierte Hosen, die in hohen Stiefeln steckten. Er war barhäuptig, sein rundes, rotwangiges Gesicht war nicht maskiert und zu Mallorys Verblüffung rauchte er eine große, abscheulich stinkende Pfeife.
    »Also, was hat das hier zu bedeuten?«, fragte er

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