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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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Hühnerbein einen Gelehrten als Schläger mietet. Nach Ihrer Kleidung und ihrem Benehmen halte ich Sie für einen Gelehrten, Sir.«
    »Sie haben ein scharfes Auge.«
    »Darauf halte ich mir einiges zugute«, räumte der König ein. »Nun, da wir diese Angelegenheit geklärt haben, könnten Sie mich vielleicht über diesen Grund zur Klage informieren, den Sie zu haben scheinen.«
    »Diese Plakate, die Sie angeschlagen haben, sind Fälschungen«, sagte Mallory. »Beleidigende Verunglimpfungen. Sie sind ganz gewiss nicht rechtmäßig.«
    »Wie ich vorher schon sagte, geht mich das nichts an«, sagte der König. »Lassen Sie mich ein paar Tatsachen des Geschäftslebens erklären. Für das Ankleben von hundert Bogen bekomme ich ein Pfund einen Shilling; das heißt, zwei Pence und sechs Zehntel von einem Penny pro Bogen; sagen wir drei Pence, aufgerundet. Nun, wenn Sie interessiert sein sollten, bestimmte Plakate zu diesem Preis aufzukaufen, ließe sich darüber reden.«
    »Wo sind sie?«, fragte Mallory.
    »Wenn Sie in den Wandfächern nach den fraglichen Gegenständen suchen wollen, habe ich nichts dagegen.«
    Sobald das Fuhrwerk wieder angehalten hatte, weil weitere Plakate geklebt wurden, begann Mallory, den Vorrat an Plaka ten durchzusehen. Alle waren zu dicken, festen Rollen gebündelt, schwer und hart wie Keulen.
    Der König reichte eine Rolle durch die Dachklappe zum Kutscher hinaus, dann klopfte er friedlich die Asche aus seiner Meerschaumpfeife, stopfte sie mit schwarzem Feinschnitt aus einer zerdrückten braunen Papiertüte und brachte die Pfeife mit einem deutschen Feuerzeug wieder in Gang. Er paffte stinkende Wolken mit einem Ausdruck vollkommener Zufriedenheit.
    »Da sind sie«, sagte Mallory. Er schälte das äußere Plakat von der Rolle und zog es auseinander. »Sehen Sie sich diese Schändlichkeit an, Sir! Auf den ersten Blick sieht es prachtvoll aus, aber der Text ist eine obszöne, ungeheuerliche Verleumdung!«
    »Standardrolle von vierzig; das macht sechs Shillinge geradeaus.«
    »Lesen Sie hier«, sagte Mallory. »Da beschuldigt man mich geradezu des Mordes!«
    Der König kam der Aufforderung höflich nach und richtete den Blick auf das Plakat. Seine Lippen bewegten sich, als er sich um die Entzifferung des Titels bemühte. »Ma Lorry«, sagte er schließlich. »Eine Varietéschau, nicht wahr?«
    »Mallory – das ist mein Name.«
    »Veranstaltungsplakat, ein halber Bogen ohne Illustrationen«, sagte der König. »Ein bisschen unsauber … o ja, ich erinnere mich an diese.« Er seufzte eine Rauchwolke. »Hätte mir denken können, dass bei diesem Auftrag nichts Gutes herauskommen würde. Aber wohlgemerkt, der Auftraggeber zahlte im Voraus.«
    »Wer? Wo?«
    »Unten in Limehouse, bei den Westindiendocks«, sagte der König. »In der Gegend hatte es eine Menge Ärger gegeben, Dr. Mallory. Spitzbuben hatten alle Wände und Bretterzäune mit Plakaten beklebt. Meine Jungs waren geneigt, wegen unlauteren Wettbewerbs Gegenmaßnahmen zu ergreifen, bis Kapitän Swing – so nennt er sich nämlich – sich bereitfand, unsere Dienste in Anspruch zu nehmen.«
    »Kapitän Swing, sagten Sie?«
    »Eine Art Sportsfreund, nach seinem Aufzug zu urteilen«, erklärte der König. »Ziemlich klein, rothaarig, blinzelnde Augen – hatte eine Beule am Kopf, ungefähr hier. Verrückt wie eine Bettwanze, würde ich sagen. Aber er war höflich genug und erklärte sich bereit, dem Plakatklebergewerbe keine Schwierigkeiten zu machen, sobald ich ihm die Regeln des Gewerbes auseinandergesetzt hatte. Und er hatte einen Batzen Bargeld bei sich.«
    »Ich kenne diesen Mann!«, sagte Mallory mit vor Erregung bebender Stimme. »Er ist ein gewalttätiger Ludditen-Verschwörer. Möglicherweise der gefährlichste Mann in ganz Britannien!«
    »Was Sie nicht sagen«, grunzte der König.
    »Er ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit!«
    »Sah nicht nach einem großen Tier aus, der Bursche«, meinte der König. »Komischer kleiner Patron, trug eine Brille und führte Selbstgespräche.«
    »Der Mann ist ein Staatsfeind – ein Dunkelmann übelster Sorte!«
    »Ich persönlich halte nicht viel von Politik«, sagte der König, sich behaglich zurücklehnend. »Die Verordnung über das Ankleben von Plakaten – das nenne ich Politik, ein weltfremdes Kapitel! Diese verflixte Verordnung ist verdammt eng gefasst, wenn es darum geht, wo Plakate geklebt werden dürfen. Ich kann Ihnen sagen, Dr. Mallory, das hat uns schon eine Menge Ärger

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