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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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»schüttet etwas von diesem Kölnisch über diesen stark riechenden Freund! Wenn er Dummheiten macht, wisst ihr, was ihr zu tun habt.«
    »Ihn erschießen?«, platzte einer idiotisch heraus.
    Der Markgraf verzog schmerzlich das Gesicht – mit der Mimik eines Schauspielers, die einen Verstoß gegen den guten Geschmack signalisiert. Ein Junge in einem gestohlenen Polizeihelm und einem zerrissenen Seidenhemd schüttete aus einer Kristallflasche kaltes Kölnischwasser über Mallorys bloßen Hals und Rücken.
    Als Nächster kam Brian herauf. »Das sind Uniformhosen und Stiefel unter diesem Schmutz«, bemerkte der Markgraf. »Unerlaubte Entfernung von der Truppe, Genosse?«
    Brian nickte stumm.
    »Wie man sieht, genießt du deinen kleinen Urlaub in London.«
    Brian nickte wie ein Dummkopf.
    »Gebt dieser beschmutzten Person neue Hosen«, befahl der Markgraf. Er durchmusterte seine sechsköpfige Truppe, die schon dabei war, das Tau für den nächsten hinabzulassen. »Genosse Shillibeer, du hast ungefähr die Größe dieses Mannes – gib ihm deine Hose.«
    »Äh, aber Genosse Markgraf …«
    »Jedem nach seinen Bedürfnissen, Genosse Shillibeer! Zieh augenblicklich die Hose aus!«
    Shillibeer stieg unbeholfen aus seiner Hose und hielt sie hin. Da er keine Unterwäsche trug, zog er mit einer Hand nervös sein Hemd herunter.
    »Um Himmels willen«, sagte der Markgraf, »muss ich euch schafsköpfigen Trotteln jede Kleinigkeit sagen?« Er zeigte ungeduldig auf Mallory. »Du! Nimm Shillibeers Platz ein und zieh mit am Tau. Und du, Soldat – nicht mehr der Knecht des Unterdrückers, sondern ein freier Mann! –, zieh Shillibeers Hosen an. Genosse Shillibeer, lass dieses Getue. Du hast nichts, dessen du dich schämen müsstest. Du kannst sofort zum Lager gehen und dir frische Kleider geben lassen.«
    »Danke, Sir!«
    »›Genosse‹«, berichtigte ihn der Markgraf. »Hol dir was Schönes, Shillibeer! Und bring mehr Kölnisch!«
    Mallory legte sich mit den anderen ins Zeug, und als Nächs ter kam Tom herauf. Die Banditen waren stark behindert durch ihre klappernden, falsch umgehängten Gewehre. Es waren gewöhnliche Victoria-Armeekarabiner, schwere Einzellader, wie sie jetzt nur noch an die Eingeborenentruppen in den Kolonien ausgegeben wurden. Die Aufrührer waren zusätzlich behindert durch Furcht einflößende Küchenmesser und selbst gemachte Knüppel, die sie nach Gutdünken in die wahllos geplünderte Eleganz ihrer Kleider gesteckt hatten. Sie trugen farbenprächtige Seidenschärpen, verschwitzte Seidenhemden, militärisches Lederzeug mit Patronentaschen, und hatten mehr Ähnlichkeit mit türkischen Baschi Bozuks als mit irgendwelchen Engländern. Zwei von ihnen waren kaum dem Kindesalter entwachsen, während zwei andere gedrungene, träge Tagediebe mit aufgeschwemmten Säufervisagen waren. Der Letzte war, zu Mallorys Überraschung, ein schlanker Schwarzer in der unauffälligen Kleidung eines herrschaftlichen Dieners.
    Der Markgraf von Hastings musterte Tom. »Wie heißt du?«
    »Tom, Sir.«
    Der Markgraf zeigte auf Mallory. »Und er?«
    »Ned.«
    »Und der da?«
    »Brian«, sagte Tom. »Glaube ich …«
    »Und wie ist der Name dieses finster blickenden Kerls da unten, der so unangenehm wie ein Polyp aussieht?«
    Tom zögerte.
    »Weißt du es nicht?«
    »Er hat uns keinen richtigen Namen genannt«, fiel Mallory ein. »Wir nannten ihn einfach den Reverend.«
    Der Markgraf funkelte Mallory an.
    »Wir haben den Reverend heute erst getroffen, Sir«, entschuldigte sich Tom. »Wir sind nicht, was man Busenfreunde nennen würde.«
    »Dann könnten wir ihn da unten lassen«, schlug der Markgraf vor.
    »Zieht ihn hoch«, konterte Mallory. »Er ist klug.«
    »Ach ja? Und wie steht es mir dir, Genosse Ned? Du scheinst nicht halb so dumm zu sein, wie du vorgibst. Und du bist nicht sehr betrunken.«
    »Dann gebt mir was zu trinken«, sagte Mallory unverzagt. »Und ich könnte auch einen von diesen Karabinern gebrauchen, wenn ihr wieder Beute verteilt.«
    Der Markgraf warf einen Blick auf Mallorys Revolver, dann neigte er den maskierten Kopf auf die Seite und zwinkerte, als hätten sie gemeinsam einen Scherz gemacht. »Alles zu seiner Zeit, mein eifriger Freund«, sagte er. Er winkte mit der behandschuhten Hand. »Also gut. Zieht ihn hoch!«
    Fraser kam in der Schlinge herauf. »Nun, ›Reverend‹«, sagte der Markgraf. »Was für ein Bekenntnis belieben Hochwürden zu predigen?«
    Fraser schüttelte die Schlinge los und trat heraus.

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