Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
»Was meinen Sie, Chef? Ich bin ein verfluchter Quäker!«
Darauf gab es hässliches Gelächter. Fraser, der ein lümmelhaftes Vergnügen am Spaß der anderen vorgab, schüttelte seinen maskierten Kopf. »Nein«, sagte er mit heiserer Stimme, »kein Quäker. Ich bin ein Pantisokrat.«
Das Gelächter brach ab.
»Pantisokrat«, wiederholte Fraser. »Einer von diesen schundigen Yankee-Schwätzern …«
Der Markgraf unterbrach ihn. »Das heißt, ein Laienprediger der Susquehanna-Phalanstery?«
Fraser starrte ihn verdutzt an.
»Ich beziehe mich auf die utopischen Lehren von Professor Coleridge und Reverend Wordsworth«, sagte der Markgraf mit drohendem Unterton.
»Richtig«, grinste Fraser. »Einer von ihnen.«
»Das scheint eine Polypenschlinge samt Dienstpistole zu sein, was du da trägst, mein pazifistischer, pantisokratischer Freund.«
»Hab die Sachen auch von einem Polypen.« Er hielt inne. »Einem toten.«
Wieder gab es Gelächter, durchsetzt von Husten und Grunzen.
Der neben Mallory stehende Junge stieß einen der Lümmel an. »Dieser Gestank haut mich um, Henry! Können wir nicht abhauen?«
»Frag den Markgrafen«, sagte Henry.
»Frag du ihn«, bat der Junge. »Er macht sich immer so über mich lustig.«
»Aufgepasst, jetzt!«, sagte der Markgraf. »Jupiter und ich werden die neuen Rekruten zum Depot begleiten. Ihr anderen macht weiter mit der Uferpatrouille.«
Die verbleibenden drei ächzten verdrießlich.
»Keine Umwege und Abkürzungen«, befahl der Markgraf. »Ihr wisst, dass alle Genossen abwechselnd Uferdienst machen müssen, genau wie ihr.«
Der Markgraf, dichtauf gefolgt von dem Schwarzen, Jupiter, führte sie den Uferweg entlang. Es verblüffte Mallory, dass der Mann vier bewaffneten Fremden den Rücken kehrte; entweder war es ein Akt arroganter Dummheit oder achtlosen Mutes.
Mallory tauschte bedeutungsvolle Blicke mit Tom, Brian und Fraser. Alle vier trugen noch ihre Waffen; die Anarchis ten hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, sie zu beschlagnahmen. Es wäre Sache eines Augenblicks gewesen, ihrem Führer und dem Schwarzen in den Rücken zu schießen, obwohl der Schwarze unbewaffnet war. Aber es wäre ein niederträchtiges Geschäft, von hinten zuzuschlagen, wenn auch vielleicht eine Notwendigkeit des Krieges. Doch die nervösen Bewegungen der anderen, während sie gingen, machten Mallory klar, dass sie von ihm erwarteten, die Tat zu vollbringen. Dieses Abenteuer war durch seine Initiative seines geworden, und selbst Fraser setzte jetzt sein Leben auf das Glück und Geschick Edward Mallorys.
Mallory schob sich weiter nach vorn und passte seinen Schritt dem des Markgrafen von Hastings an. »Was gibt es in diesem Depot, Euer Lordschaft? Eine Menge feiner Beute, hoffe ich.«
»Eine Menge feiner Hoffnung, mein plündernder Freund! Aber lassen wir das. Sag mir, Genosse Ned – was würdest du mit Beute machen, wenn du sie hättest?«
»Ich nehme an, das würde davon abhängen, was es wäre«, meinte Mallory.
»Du würdest es in deinen Rattenbau schleppen«, mutmaßte der Markgraf, »und dann für einen Bruchteil seines Wertes an einen Hehlerjuden verkaufen und den Erlös für Alkohol ausgeben, um einen oder zwei Tage später in einer schmutzigen Ausnüchterungszelle aufzuwachen, mit dem Fuß eines Polypen im Genick.«
Mallory rieb sich das Kinn. »Was würden Sie denn damit anfangen?«
»Es nutzbringend anwenden, natürlich! Wir werden die Beute für die Sache jener einsetzen, die ihr Wert gaben. Damit meine ich das gewöhnliche Volk, die Massen, die Unterdrückten, die schwitzigen Arbeiter, alle, die sämtliche Reichtümer dieser Stadt erzeugen.«
»Das ist eine seltsame Rede«, sagte Mallory.
»Die Revolution plündert nicht, Genosse Ned. Wir beschlagnahmen, wir verordnen, wir befreien! Du und deine Freunde, ihr wurdet von importiertem Schnickschnack hierher gelockt. Ihr meint, davontragen zu können, was ihr in ein paar Augenblicken zusammenraffen könnt. Seid ihr Männer oder Elstern? Warum wollt ihr euch mit einer Handvoll schmutziger Shillinge zufriedengeben? Ihr könntet London besitzen, das moderne Babylon selbst! Ihr könntet die Zukunft besitzen!«
»Die Zukunft?« Mallory sah sich nach Fraser um. Über dem Atemschutz blickte unverhohlener Widerwille und Abscheu aus den Augen des Polizeibeamten. »Wie viel Kohle bringt ein Viertel ›Zukunft‹, Euer Lordschaft?«
»Ich wäre dir dankbar, wenn du mich nicht so nennen würdest«, sagte der selbst ernannte Markgraf.
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